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Strommarkt kann ökologisch, billig und liberal sein

■ Expertise kritisiert Rexrodts Reform. EU läßt Bevorzugung von Ökostrom zu

Bonn (taz) – Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) bläst für seinen Gesetzentwurf zur Liberalisierung der Strommärkte immer mehr Wind ins Gesicht. Eine vom schleswig-holsteinischen Ministerium für Finanzen und Energie finanzierte Studie zur Liberalisierung der Strommärkte in Skandinavien weist auf gravierende Schwächen des Rexrodtschen Reformprojekts hin.

„Durch den Verzicht auf die elementaren Grundregeln für Wettbewerb im Bereich der natürlichen Monopole“, heißt es, „kann der Energierechtsentwurf des Bundeswirtschaftsministers nur als reines Flurbereinigungsgesetz zugunsten der großen Verbundunternehmen interpretiert werden“. Die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Michaele Hustedt, nannte die gestern vorgelegte Studie eine „Nachhilfestunde auf dem Gebiet ,faire Chancen für alle‘“.

Eigentlich war Rexrodt angetreten, um als erster deutscher Wirtschaftsminister die Monopolstellung der Energieerzeuger zu brechen. Bislang teilen neun Stromriesen fast den gesamten Strommarkt untereinander auf. Die Folge sind Milliardengewinne der Monopolisten und mit die höchsten Strompreise in Europa.

Der Rexrodt-Entwurf sieht vor, daß künftig jeder als Anbieter von Strom und Gas auftreten kann. Das Problem dabei: Das Stromnetz bleibt im Besitz der großen Stromerzeuger.

Die Gegner des Rexrodt-Entwurfs befürchten daher, daß die Stromkonzerne den neuen Konkurrenten den Netzzugang verwehren oder sie durch Dumpingpreise in die Knie zwingen. Der Bundesrat hat den Entwurf des Wirtschaftsministers als „wettbewerbspolitisch und umweltpolitisch unzulänglich“ am 18. Dezember 1996 abgelehnt.

Gestützt wird diese Kritik nun durch die Studie über die skandinavischen Verhältnisse. In Schweden, Norwegen und Dänemark sei die Trennung der Stromnetze von den Funktionen Stromerzeugung und Verteilung an die Endkunden erfolgreich durchgesetzt worden. Eine staatliche Preisaufsicht habe die Aufgabe, den diskriminierungsfreien Zugang des Netzes zu gewährleisten.

Sie stelle sicher, daß der Netzbesitzer seine eigenen Kraftwerke nicht gegenüber anderen Kraftwerken bevorzugen könne. Gerade in Norwegen wo der Strommarkt bereits 1991 liberalisiert wurde, habe man erkannt, daß es eine staatliche Preisaufsicht bei der Nutzung der Stromnetze braucht.

Alle drei Länder haben wesentlich niedrigere Stromkosten für alle Verbraucher. Zudem werden die Belange des Klimaschutzes im Sinne der EU-Richtlinie stärker berücksichtigt, stellt die Studie fest. Nach Artikel 8 Abs 3 der EU Richtlinie kann der Mitgliedstaat dem Betreiber des Netzes zur Auflage machen, erneuerbarer Energie oder Kraft-Wärme-Kopplung zu bevorzugen.

Vor allem Dänemark setze diese Richtlinie mit einem Anteil von 50 Prozent vorbildlich um. Der Rexrodt-Entwurf verhindere dagegen den Einsatz alternativer Energie, weil sie sich auf dem von Konzernen bestimmten Markt nicht durchsetzen könne. Die Bündnisgrünen freuen sich auch über ein anderes Ergebnis der Studie: Das Beispiel Schweden zeigt: Atomenergie ist für einem liberalen Markt zu teuer. Markus Franz

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