■ Kommentar: Ein Ärgernis
Das „Wort der Kirchen zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland“ ist die Kritik der Kirchen an der Regierung Kohl, heißt es. Das Papier äußert sich ausführlich zu Reichtum, Armut und Massenarbeitslosigkeit. Doch vom biblischen Anspruch, durch eine radikale Option für die Entrechteten und Unterdrückten „ein Ärgernis“ für die Welt zu sein, ist der Text weit entfernt. Vielmehr zeigt er, wie sehr die großen Kirchen mit dem Staat verbunden sind.
In der jahrelangen Überarbeitung des Textes ist viel an Deutlichkeit zu einer Politik der sozialen Kälte verlorengegangen. Berlins katholischer Bischof Sterzinksy wagte es, auf „Fehlentwicklungen hinzuweisen, die unter der CDU-Regierung“ entstanden sind. Kein Wort dazu, daß die CDU daran etwa Verantwortung trage. Auch an die eigene Nase fassen sich die Kirchenmänner nur ungern. Sie fordern völlig zu Recht eine Kurskorrektur hin zur sozialen und ökologischen Marktwirtschaft. Gleichzeitig baut die evangelische Kirche in Berlin massiv Stellen ab. Und die Katholiken setzen gegen ihre eigene Forderung nach „Gleichstellung von Frauen und Männern“ in der Arbeitswelt das Dogma, Frauen dürften keine Priesterinnen sein.
Die zerstörerische Dynamik unseres Wirtschaftens ist in dem Papier kein Thema. Anders als behauptet haben die Kirchen eben nicht den Ansatz der Befreiungstheologie „Sehen, Urteilen, Handeln“ angewandt, sondern sind in ihrer internen Sichtweise steckengeblieben. Das ist nur folgerichtig, denn die Kirchen haben es sich in der Welt bequem gemacht. Ein „Ärgernis“ für den Staat fehlt – eben deshalb ist das Papier ärgerlich. Bernhard Pötter
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