: Bußgelder für die Umwelt
■ Staatskasse saniert sich auf Kosten von gemeinnützigen Organisationen.
Nach Paragraph 153a Strafprozeßordnung besteht für deutsche Richter und Staatsanwälte bereits seit 1924 (!) die Möglichkeit, gemeinnützigen Organisationen Geld zukommen zu lassen. Der Angeklagte kann, statt ins Kittchen zu gehen, ein Bußgeld bezahlen oder aber das Bußgeld wird fällig, wenn Verfahren, beispielsweise bei geringer Schuld, eingestellt werden. Anders als bei Spenden sonst üblich, sind die Bußgelder allerdings nicht steuerlich absetzbar. In Hessen kamen auf so 1994 immerhin 14 Millionen Mark zusammen, die sich das Justizministerium und insgesamt 1.145 gemeinnützige Einrichtungen teilten. Welche Einrichtungen Bußgelder erhalten, legen der Präsident und der Generalstaatsanwalt des jeweiligen Oberlandesgerichts fest, nachdem ein Antrag der Organisation und ein Beweis ihrer Gemeinnützigkeit vorgelegt wurde. Jeder einzelne Richter oder Staatsanwalt bestimmt dann, welche Organisationen Geld bekommen.
Udo Scholz beispielsweise, Richter am Amtsgericht im Berliner Bezirk Tiergarten, unterstützt so den „World Wide Fund for Nature“ (WWF) oder den Berliner Igelverein, weil er diese für basisnah halte. „Bis zu 150.000 Mark jährlich lasse ich verschiedenen Organisationen schon zukommen“, schmunzelt Scholz. An die Staatskasse gehe bei ihm eher selten etwas. Allerdings wisse er auch von schwarzen Schafen unter den Richtern, die auch schon mal ihrem eigenen Fußballverein Geld hätten überweisen lassen.
So verschieden die gemeinnützigen Organisationen auch sind, so unterschiedlich werben sie um diese Geldtöpfe. Greenpeace spricht die Richter über Mailings an, so Ulrika Gerling vom Bußgeldmarketing. „Wichtig für die Richter ist vor allen Dingen, daß die Bürokratie funktioniert und der Eingang der Bußgelder an das Amtsgericht gemeldet wird.“ Der WWF ziehe eine dezentere Ansprache der Richter vor, so dessen Bußgeldreferentin Birgit Kern. So werbe der Verband in der juristischen Fachpresse und verschicke Kalender zum Jahreswechsel. „Der Zuschlag für eine bestimmte Organisation hängt allein von der Verbundenheit des Entscheiders zu der Organisation ab“, glaubt Kern. Darum bietet der WWF Exkursionen in die Projektgebiete an, beispielsweise in den Nationalpark Unteres Odertal. „Möchte der Richter dann den WWF berücksichtigen, schicken wir ihm vorbereitete Zahlscheine und Adreßaufkleber.“
Immerhin 670.000 Mark – mithin ein Prozent der Gesamteinnahmen – machten die Bußgelder 1996 bei Greenpeace aus. Doch seien die Bußgeldeinnahmen zurückgegangen. „Vor dem Mauerfall hatten wir leicht das Doppelte.“ Die Bußgelder würden in fast allen Bundesländern zu einem erheblichen Teil in die Staatskasse fließen, anstatt für soziale Zwecke verwendet zu werden. Udo Scholz vom Amtsgericht Tiergarten meint dazu, daß der Paragraph auch auf die Wirtschaftskriminalität anwendbar wäre. Aber das große Geld behalte der Staat lieber für sich. Ulrika Gerling weiß noch einen anderen Grund für den Rückgang der Bußgeldeinnahmen. „Ganz häufig können die Geldbußen nicht mehr bezahlt werden. Viele gehen inzwischen lieber in den Knast.“ Eva Blank
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen