: Auf den G-Punkt gebracht
Das Netzwerk der Frauen-Sexshops in Deutschland wird von Jahr zu Jahr dichter: Eine Bestandsaufnahme im Jahrzehnt der „lustvollen Lady“ ■ Von Susanne Kaiser
Im alten Ägypten mußten Kleopatra und Co. zunächst auf Fliegenfang gehen, um den ersten prähistorischen Vibrator in Betrieb zu nehmen – die summende und brummende Schar wurde in zu Tüten gerollten Papyrus gesteckt und verhalf zu klitoralen Freuden. Heutzutage kommt nicht nur das Brummen einfach aus der Steckdose; es bedarf nicht einmal mehr des höchst unerotischen Spießrutenlaufs durch einen sogenannten „Supermarkt der Lüste“, vorbei an kilometerlangen videotischen messerscharfen Bumsbrigaden und pochenden Pimmelpastoren, aufblasbaren Fickpuppen und gaffenden Kerlen, um einen Vibrator zu erstehen.
Frauen-Sexshops, in denen Männer höchstens ihre Tage haben oder nur als Begleitmittel zugelassen sind, erlebten in den letzten drei Jahren einen regelrechten Boom. Allerlei ästhetisches Sexspielzeug, erotische Videos, Bücher und Accessoires – von Frauen für Frauen gemacht – sind in Deutschland in mittlerweile 13 Sexshops für Frauen erhältlich. Solch profane Bezeichung verbitten sich die Betreiberinnen allerdings. Nach all den Debatten um PorNo und politisch korrekten Sex wurde in den 90ern das Jahrzehnt der „lustvollen Lady“ eingeläutet. Vornehm erklären die Läden ihre potentiellen Kundinnen zu Ladies und fügen ihren eigenen Namen noch ein For, Fun, First oder Finest hinzu; Variationen gibt's in Köln (Secrets), Hamburg (Good Vibrations) oder auch Frankfurt (Inside Her).
Mit der ausschließlichen Verwendung englischer Namen – Frauen, die Sex haben, wird also zumindest die Zungenfertigkeit einer weiteren Fremdsprache unterstellt – entschweben die Läden auch dem reinen Bumsen-Ficken- Blasen-Metier. Die niederen Triebe der Frauen sind hier höheren Sphären geweiht. Hier wird Erotik ganzheitlich betrieben, nicht Sex pur. Das schlägt sich auch in der Einrichtung nieder. In gepflegter Atmosphäre und erlesenem Ambiente mit sensiblen Ansprechpartnerinnen wird die Einzigartigkeit des weiblichen Körpers gefeiert: im vorderen Bereich mit Schmuck, Skulpturen, Ölbildern, Literatur und Mode für drunter und drüber, im Hinterzimmer dann mit Toys und endlich all dem, was Vergnügen bereitet.
Fleischfarbene Schwänze mitsamt Säcken sind von den Designer-Regalen verbannt. Statt dessen gibt es ein je nach Laden mehr oder weniger breites Sortiment und je nach Vorlieben und Testfreudigkeit der Inhaberinnen mehr oder weniger kundige Beratung. Manchmal hapert's allerdings eindeutig in Sachen Kompetenz. Und weil sich eine schicke Erotik-Boutique schließlich amortisieren muß, regiert leider auch hier öfters das Sex-und-Hopp-Prinzip: Einige (aus herkömmlichen Sortimenten übernommene) Artikel stammen zwar immerhin aus der ästhetischen Mittelklasse, sind aber qualitativer Mist. Was nutzt der Silberglanz des neuen Vibrators, wenn die Farbe nach zweimaliger Benutzung abblättert und ein Wackelkontakt immer im falschen Moment...
Eine Orgasmusgarantie gibt's für die ganzen Spielereien eh nicht. Mit einer Ausnahme: Die gebe ich persönlich für den „Magic Wand“, in Deutschland auch „Zauberstab“ genannt (siehe Foto rechts). Dieser 2-Stufen-Vibrator sieht aus wie ein überdimensionales Mikrophon und paßt damit so gar nicht in die neue Schön-und-lieblich-Ästhetik, bringt's aber garantiert. Mit einigem Geschick läßt er sich auch zu zweit benutzen. Aus Amiland importiert und leider nur in Berlin erhältlich.
Wie so viele Wellen schwappte auch die Frauen-Sexwelle – wie immer mit einiger Verspätung – über den großen Teich zu uns. Dort führten sich Eves Garden oder Good Vibrations bereits bestens in den 70ern ein. Und die älteste Sexküche Deutschlands – „Sexclusivitäten“ in Berlin – feiert immerhin in diesem Jahr zehnjähriges Jubiläum. Mußte Sexpertin Laura Méritt damals noch jede Menge Anfeindungen von Feministinnen über sich ergehen lassen, steht heute in so manchem Bücherregal griffbereit eine bunte Dilda oder eine Vibratorin neben dem „kleinen Unterschied“.
Da das Angebot herkömmlicher Sexshops Frauen kaum in Erregungskurven schmeißt, hat sich in Deutschland rund um die weiblichen sexuellen Lüste eine kleine und innovative „Industrie“ entwickelt. Sie ist von den Millionenumsätzen einer Beate Uhse zwar weit entfernt, führt aber ein recht (s)exklusives Nischendasein. Ihre Produkte sind nicht nur ausgefallen, sondern auch qualitativ hochwertig – damit leider auch teurer und nicht im Massenvertrieb erhältlich. Das Frauen-Sexnetzwerk zieht sich bereits durch die ganze Republik. Lesben waren hier übrigens die Vorreiterinnen, Heteras zogen sowohl als Anbieterinnen als auch als Kundinnen nach.
Mittlerweile hat in deutschen Landen selbst der Beruf der Dildo- Gießerin Einzug gehalten. Deren Produkte sind ravig-orange, marmoriert, schwarz-bunt oder fallen je nach Kundinnenwunsch aus, sie heißen Jane, Boa oder Dame Blanche und erfreuen nicht nur die unteren Regionen, sondern auch das Auge. Besser fühlen sich übrigens aus Silikon gegossene Dildos an; sie sind zwar teurer als Gummi- Teile, dafür aber vielfältiger form- und färbbar, haltbarer und spülmaschinenfest.
Da Vibratoren der Verkaufsschlager für Frauen sind, werden derzeit auch bunte Silikon-Nonnen, -Wale oder -Delphine mit einem batteriebetriebenen, vibrierenden Innenleben entworfen. In einigen Städten fertigen Lederschneiderinnen nach Wunsch alles von der Handfessel über den Leder-BH bis zum Dildo-Gürtel. Darin lassen sich zum Beispiel variabel ein oder zwei Dildos – einer für die PartnerIn, einer für sich selbst – einspannen.
Der weiblichen Phantasie entsprang manch Neues: Eine Dreherin fertigt in Recklinghausen sogenannte butt plugs, also Arschstöpsel, Dildos und Sexerciser (zum Training der Mösenmuskulatur) aus Edelstahl. Aus Berlin kommen Dildos aus Glas, in die sich farbige oder hitzige Flüssigkeiten einfüllen lassen. Eine Art Rückbesinnung: Bereits im antiken Griechenland füllten die Damen dildoeske Glas- oder Tonstücke mit heißer Eselsmilch. Schönheit kommt schließlich von innen. Für den Spaß mit sich selbst benutzt die fleißige Radlerin eine Silikon-Slip-Einlage, deren fest angebrachter Dildo für Füllung und eine Noppenzunge für klitorale Reibung sorgt. Damit läßt sich auch Kilometer 59 mit einem Lächeln absolvieren.
Porno-Videos sind der von Männern mit Abstand am häufigsten gekaufte Sexartikel – und gleichzeitig von der Machart wohl der, der Frauen am meisten abstößt. Doch auch Frauen wollen Pornos und Erotikfilme sehen. Bisher fast auschließlich aus den USA und Großbritannien stammen eine ganze Reihe Erotikfilmen und Sexinfotainment-Videos, die von und für Frauen gedreht worden sind und nicht nur Lesben ansprechen. Die Renner sind zum Beispiel die „Masturbation Memoirs“, mit denen die Sex-Ikone Annie Sprinkle auf eine wunderbare Weise die Lust am eigenen Körper demonstriert. „Auf den G-Punkt gebracht“ besticht mit einer Mischung aus Aufklärung und antörnenden Bildern und regt zur lustvollen Suche nach dem geheimnisvollen Punkt (der eigentlich eine Fläche ist) an. Hier wird auch jeglicher Zweifel über die Existenz der weiblichen Ejakulation zerstreut. Das S/M-Video „Bitter Sweet“ haben sogar mehrere Filmhochschulen in ihre Archive aufgenommen.
Einige der neuen Produkte finden sich selbst in den Läden der „Sexmagnaten“ wieder. Beate Uhse, deren Kundschaft nur zu 15 Prozent weiblich ist, verkauft jetzt nicht nur Videos von Monika Treut, ihr Sortiment hat insgesamt an Farbe gewonnen. Und selbst die Schwulen, deren Dildos bisher nicht nur so groß wie möglich, sondern auch so lebensecht wie möglich sein mußten, treiben's jetzt mal bunter.
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