: Nachsitzen für Funktionäre
■ Heißer Frühling gegen Bildungsdemontage: „Hamburger Bündnis für Ausbildung“ist gar keins, findet die GEW
Statt neuer Impulse in der Berufsbildung droht die Demontage des dualen beruflichen Ausbildungswegs. Das „Hamburger Bündnis für Ausbildung“– eine von Arbeitgebern, Gewerkschaften, Behörde und Bürgermeister Mitte Februar veröffentlichte Absichtserklärung – stieß auf einer Protestveranstaltung, zu der die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ins Curio-Haus geladen hatte, auf einhellige Ablehnung. „Bündnis für Ausbeutung“treffe die Vereinbarung schon eher, sagte GEWlerin Steffi Odenwald. Im Endeffekt ziele es doch auf „eine einjährige Ausbildung zum Hilfsarbeiter ohne Berufsschule“ab, spitzte Vadim Lenuck von der DGB-Jugend zu.
Als neuer Feind hätten sich zu den Arbeitgebern und der Behörde nun jene führenden Gewerkschaftsfunktionäre gesellt, die völlig losgelöst von der Basis verheerende Absprachen träfen, fand ein Lehrer neue Gegner. Wie dieses Bündnis zustandegekommen sei, das sei nicht mehr als demokratischer Meinungsbildungsprozeß zu bezeichnen, wetterte ein anderer, während die Wut der rund 200 LehrerInnen aus verschiedenen Gewerkschaften und wenigen SchülerInnen über die Kollegen von der Führungsebene hochkochte. „Wenn dieses Bündnis nicht wieder verschwindet, werde ich meinen Mitgliedsbeitrag um die 12 Prozent kürzen, die an den DGB gehen!“drohte ein Gewerbeschullehrer. Aus verschiedenen gewerkschaftlichen Kreisvorständen wird es in den nächsten Wochen Proteste auf die Landesfunktionäre kübeln: „Die Unterschrift unter diesem Bündnis muß zurückgenommen werden.“
Detlef Bohlmann (IG Metall) berichtete von qualifizierten Ausbildern, die die Abmachung eher skeptisch sähen. Es gehe ja nicht nur um die Anzahl, sondern auch die Qualität von Lehrstellen: Natürlich seien bei Blohm + Voss die Schiffsbauerlehrstellen nicht ausgelastet, wenn die Aussicht Stellenabbau heiße.
Während sie noch über Proteste diskutierten, sei die Umsetzung der Bündnismaßnahmen bereits in vollem Gange, warnte ein Baugewerbelehrer. Auch der Sportunterricht solle schon nach den Sommerferien 1997 auf Gutscheinbasis abgewickelt werden. In der Behörde sei bereits ein Ausschuß damit befaßt, wie die Anwesenheit beim Vereinssport kontrolliert werden könne. Um am Lehrpersonal zu sparen, könne demnächst wohl auch der Deutschunterricht über Gutscheine für die Volkshochschule verabreicht werden.
Es dürfte ein unruhiger Frühling an den Berufsschulen werden. jkn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen