piwik no script img

Beim Klima auf Zeit setzen

■ Die Industrielobby trumpft bei Vorverhandlungen zum Kyoto-Gipfel auf. Kohlendioxidreduzierung fraglich

Bonn (taz) – „Ja, ich habe Angst vor dem Treibhauseffekt“, sagt Robert Moss bei den Klimaverhandlungen diese Woche in Bonn, „aber wenn wir jetzt hetzen, kommt doch nur ein unvernünftiges Protokoll heraus.“ Moss ist Miglied der Global Climate Coalition (GCC), doch die ist bestenfalls um das Klima in den Vorstandsetagen von Exxon und General Motors besorgt. Moss selbst ist Vertreter der US-Autohersteller. Sein Job: Verbindliche Kohlendioxidreduktionen verhindern.

„Je genauer die Klimamodelle, um so geringer der Treibhauseffekt“, behauptet Moss. Und er verweist auf ein Heftchen mit dem Titel Ecologic. Die Zeitschrift, die die Propaganda der Kohle- und Öllobby vertritt, heißt nicht zufällig so ähnlich wie Eco, das tägliche Kongreßblatt der Umweltgruppen (Environmental NGOs). Das Verwirrspiel hat Methode. Hinter Namen wie „Internationale Klimawandel Partnerschaft“ verbergen sich Ölmultis und Autokonzerne. Allein die GCC gab knapp zwei Millionen US-Dollar in den vergangenen drei Jahren für ihre Arbeit aus. Die etwa 320 Mitglieder der NGOs, der Nichtregierungsvertreter, übertreffen diesmal laut einer Zählung von Eco sogar die Zahl der Delegierten. Rund 70 gehören zu Umweltgruppen, der Rest ist Industrielobby.

Während die US-Delegation oder die Australiens oder Rußlands nicht offen als Bremser agieren können, lassen sich die Delegierten anderer Staaten leichter einspannen. So preschten diese Woche die Erdölstaaten, allen voran Kuwait, Saudi Arabien und Nigeria, vor mit der Forderung nach Kompensationszahlungen, wenn die Industriestaaten durch Energieeinsparungen in Folge der Klimabeschlüsse weniger Öl orderten. Der abenteuerliche Vorschlag ist kaum durchsetzbar – aber er verzögert.

Auch die USA setzen auf Verzögerung: Sie schlugen ein kompliziertes System von handelbaren Verschmutzungslizenzen, von C02-Budgets über zehn Jahre und einer Art Überziehungskrediten aufs folgende Jahrzehnt vor – bleiben aber klare Reduktionsziele schuldig. Dieses System bis Kyoto zu beschließen, ist aber kaum möglich. Matthias Urbach

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen