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"Da kämpfen sie, die Hennen"

■ Frauen im Parlament müssen sich häufig gegen subtile Abwertung wehren. Die Quotierung allein bringt nichts: Die Hälfte der Sitze bedeutet noch lange nicht die Hälfte der Macht

Sie haben fast die Hälfte des Parlaments erobert, aber noch nicht die Hälfte der Macht. Bis auf die CDU-Fraktion, in der Frauen den Seltenheitswert von Orchideen haben, stellen die weiblichen Abgeordneten bei SPD, Grünen und PDS die Hälfte der Fraktionen. Doch den entsprechenden politischen Einfluß haben sie damit noch nicht erobert.

Am deutlichsten ist dies in der SPD. Die wichtigen Entscheidungen fallen im inner circle um Fraktionschef Klaus Böger, zu dem der Haushaltsexperte Klaus Wowereit und der stellvertretende Fraktionschef Hermann Borghorst gehören. „In ihren Politikbereichen haben die Frauen durchaus was zu sagen“, stellt eine SPD-Abgeordnete fest, sei es in der Jugend-, Rechts- oder Forschungspolitik. Aber im politischen Tagesgeschäft dominieren die Männer.

Im Innenausschuß macht die einzige SPD-Vertreterin neben dem politischen Schwergewicht Hans Georg Lorenz kaum einen Stich. Ihr bleiben die marginalen Fragen, wie das alarmierend hohe Durchschnittsalter von 39 Jahren bei der Feuerwehr. Ob Innenausschuß oder Verfassungsschutzausschuß: Stets bedanken sich die SPD-Frauen artig bei Innensenator Schönbohm „für seinen Bericht“. Mit so einem verhuschten Auftreten lassen sich wahrlich keine Punkte machen. Nicht einmal die Abschaffung des Frauenausschusses bei der Parlamentsreform konnten die SPD-Frauen verhindern. Zwar hatte die Parteispitze zunächst versichert, daß der Ausschuß erhalten bleibe, doch der SPD-Parteitag folgte dem CDU-Vorschlag, den Frauen- mit dem Arbeitsausschuß zusammenzulegen. „Das bekam eine Eigendynamik, die nicht mehr aufzuhalten war“, stellt die Abgeordnete Anna Damrat fest. Als Erfolg der SPD-Frauen nennt die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) den Parlamentsbeschluß, daß jedes Senatsressort ausweisen muß, wieviel Geld für Frauenbelange ausgegeben wird. Aber ausgerechnet die SPD-SenatorInnen Peter Strieder und Annette Fugmann-Heesing versäumten dies im Haushalt 1997.

Doch bei aller Kritik: Frauen haben es im Parlament nach wie vor schwerer, sich durchzusetzen. Im politischen Geschäft wird mit zweierlei Maß gemessen. Wenn eine Abgeordnete eine Senatorin scharf kritisiert, fällt gleich der Spruch: „Da kämpfen sie wieder, unsere Hennen.“ Unter Männern würde dies als „harter Schlagabtausch“ gewürdigt. Frauen müssen sich gegen subtile Abwertungsmechanismen zur Wehr setzen. „Redet eine Frau laut, ist sie hysterisch. Redet ein Mann laut, ist er engagiert“, stellt die bündnisgrüne Abgeordnete Renate Künast fest. Doch selbst in der bündnisgrünen Fraktion, die die meisten profilierten Parlamentarierinnen vorzuweisen hat, machen sich noch geschlechtsspezifische Unterschiede bemerkbar. Trotz Quotierung bis in die Fraktionsspitze entstehen informelle Machtachsen, wie zwischen Fraktionschef Wolfgang Wieland und Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Wachsmuth.

Auch in der grünen Spezialdisziplin, zu aktuellen Fragen Diskussionspapiere zu verfassen, glänzen vor allem die Männer. Den Frauen widerstrebt diese „gehobene Form des Showbusineß“ (Künast) eher. „Die grüne Fraktion ist eine schöne Insel“, sagt Künast. „Und trotzdem mußt du als Frau im Parlament kämpfen.“ Frauen müßten sich immer wieder „überwinden, die Ellenbogen anzuspitzen“. Auch Fraktionschefin Sybill Klotz stellt fest: „Die Quotierung allein bringt nicht viel. Die neue Qualität kommt erst dadurch, daß Frauen sich gegenseitig unterstützen.“ Mit traditioneller Frauenpolitik wird man im Parlament nicht ernst genommen, so die Erfahrung vieler Frauen. Die bündnisgrünen Politikerinnen drängen bewußt in die „Männerthemen“ und versuchen, Fraueninteressen im Haushaltsausschuß durchzusetzen.

Auch in der quotierten PDS- Fraktion wird Frauenpolitik als Querschnittsaufgabe begriffen. Der Arbeitskreis feministische Politik legt frauenspezifische Konzepte zu Arbeitsmarktpolitik oder Verwaltungsreform vor. Frauenpolitik gilt in der PDS-Fraktion längst nicht mehr als Nebenwiderspruch. „Da hat sich seit 1990 ein Wandel vollzogen“, sagt die frauenpolitische Sprecherin, Elke Herer.

Geradezu wie ein Fossil kommt dagegen die CDU-Fraktion daher. Hier regiert die Altherrenriege, doch auch sie muß sich auf einen Generationswechsel gefaßt machen. Überraschend eroberte die 35jährige Monika Grütters im Dezember einen der drei CDU-Sitze im SFB-Rundfunkrat. Obwohl sie erst seit einem Jahr im Parlament ist, erhielt sie bei der Abstimmung in der CDU-Fraktion weitaus mehr Stimmen als der 65jährige Abgeordnete Dieter Biewald. Die frühere Pressesprecherin von Wissenschaftssenator Manfred Erhardt ist die vielversprechendste Nachwuchspolitikerin der CDU- Fraktion. Daß eine attraktive Frau auch kompetent und klug ist, muß manchem CDU-Mann allerdings erst bewiesen werden.

Auch in der CDU-Fraktion, die nur zu einem Fünftel aus Frauen besteht, formieren sich die weiblichen Abgeordneten. Ihre gelegentlichen Treffen hängen sie nicht an die große Glocke. Bei der CDU vollzieht sich die Rebellion eher still und leise. Als Fraktionschef Landowsky sich vor einer Woche im Parlament für seine „Ratten“ und „Gesindel“-Rede rechtfertigte, bekam der Frontmann von vielen Fraktionskollegen kräftigen Beifall. Von den Frauen klatschte kaum eine, und wenn, nur sehr verhalten. Dorothee Winden

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