: Erklärung ohne Biß
■ Tourismus: Umweltminister vage
Berlin (taz) – Ökologie rechnet sich im Reisegeschäft nur über Ökonomie. Um so besser, wenn dieses Thema auch auf der politischen Ebene verhandelt wird, wie im Vorfeld der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin. Umweltminister und internationale Organisationen aus 23 Ländern diskutieren bei der Konferenz „Biodiversität und Tourismus“ über eine „Berliner Erklärung“.
Diese will im Sinne der Umweltkonferenz von Rio Maßstäbe für einen „nachhaltigen Tourismus“ setzen. Konsens ist: Die industrielle Entwicklung des Tourismus wurde durch massive Umweltschäden erkauft. So habe Europa durch touristische Infrastruktur 43 Prozent seiner Küstendünen verloren, hat Umweltministerin Angela Merkel festgestellt, die Initiatorin der Konferenz. Im Mittelmeerraum machen Ferienanlagen einen Betongürtel von Tausenden Kilometern Länge aus.
Die Teilnehmer sind sich einig, daß sich viele der Schäden durch besseres Management vermeiden lassen. Sie diskutieren, den Tourismus in belasteten und empfindlichen Gebieten einzuschränken, die Touristenmassen zu lenken und umweltverträgliche Pilotprojekte zu unterstützen. Außerdem fordern sie einen stärkeren Nutzen des Tourismus für die lokale Bevölkerung.
Und sie haben entdeckt, daß Tourismus Natur sogar schützen kann: Naturattraktionen verhinderten in Ländern, die auf Tourismus angewiesen sind, daß das letzte Nashorn gejagt würde.
Doch wer eine Flugreise zu Naturparadiesen bucht, hat damit keinen Beitrag zum Umweltschutz geleistet. Über 90 Prozent aller Schäden, die durch Tourismus verursacht werden, entstehen durch die An- und Abreise, sprich Pkw und Flugzeug. Die Schadensanalyse der Konferenzteilnehmer hat dies ausgeklammert. Sie mogelt sich auch an Grundsätzen der Nachhaltigkeit vorbei – über Verzicht oder gar Revision des westlichen Lebensstils wird kein Wort verloren. Wenn Merkel heute die „Berliner Erklärung“ verkündet, demonstriert sie lediglich gute Absichten. Kein verbindliches Regelwerk, sondern eine „Vereinbarung ohne Biß“, so Helmut Röscheisen vom Deutschen Naturschutzring. Christel Burghoff
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