Zweikomponentenkleber, dann sitzt es im Kopf

■ Ein Gespräch mit dem kunstpolitischen Urgestein, dem Plakatkünstler Klaus Staeck über altmodische Aufbrüche, neumodisches Schwimmen, engagierte Kunst und echte Arbeiter

Fast dreitausend Ausstellungen hat der Heidelberger Grafiker Klaus Staeck bisher gemacht, 41 Mal wurde versucht, einzelne seiner fast 300 kritischen Plakate gerichtlich verbieten zu lassen, zuletzt das Plakat gegen den „Grünen Punkt“und das „Duale System“mit einem Streitwert von zweihunderttausend Mark. Nach seiner bisher größten Ausstellung in den Produktionsbetrieben der Stanzerei Reum AG in Hardheim im Odenwald zeigt KX auf Kampnagel diese Kunst, die sich seit dreißig Jahren im Alltag bewährt in einer Retrospektive.

taz: Sie sind ein Freund von Joseph Beuys und Verleger seiner Multiples, Sie sind Mitgründer der Art Cologne und der Aktion „Wir schreiben nicht für Springer“zusammen mit Heinrich Böll, Günter Grass, Walter Jens und Peter Rühmkorf. Außerdem sind Sie Rechtsanwalt und Kulturpolitiker: Es gibt verschiedene Zugänge zum bald sechzigjährigen Klaus Staeck. Doch am bekanntesten ist immer noch der Plakatkünstler Staeck.

Klaus Staeck: Ende der Sechziger wollte ich engagierte Kunst machen. Aber mit den Holzschnitten und Siebdrucken in Hunderterauflage konnte eigentlich keiner was anfangen, sie entzogen sich selbst der studentischen Wohnidylle. Bei Dürers Händen mit der Schraubzwinge kam dann die Reaktion: Das ist eigentlich ein Plakat.

Ist Ihre Arbeitsweise ein Produkt der damaligen Aufbruchszeit?

Ich bin kein '68er. Die betrachteten jemand, der Kunst macht ja als „Handlanger der Bourgeoisie“. Außerdem war ich seit 1960 in der SPD und hatte so Kontakt mit wirklichen Arbeitern und nicht nur theoretische Illusionen. Aber heute verteidige ich die 68er mehr als diese sich oft selbst. Es ist inzwischen häufig eine merkwürdige Verachtung der eigenen Biographie zu beobachten. Aber die produktive Unruhe damals, der Zwang, alles neu zu begründen, das war schon gut. Ich verachte nicht, was ich mal gemacht habe, aber manche meinen, es sei altmodisch, eine Position zu haben. Ich werde von allen Seiten kritisiert, mitunter werde ich von denselben Leuten aus unterschiedlichen Positionen heraus ausgelacht. Politisches Engagement gilt im Moment einfach nicht als schick.

Zur Zeit scheint eine neue Generation Interesse an künstlerischen und sozialen Ansätzen der 70er Jahre zu haben.

Ja, in Heidelberg haben Erstsemester mein neuestes Plakat: „Ein Volk, das solche Boxer, Fußballer, Tennisspieler und Rennfahrer hat, kann auf seine Uniwersität ruhig verzichten“im Kampf gegen die drohenden Studiengebühren eingesetzt. Das hängt jetzt riesengroß an einem Gebäude in der Hauptstraße, und allein das „w“hat schon viele zum Nachdenken angeregt.

Ihre Plakate haben Millionenauflagen, Sie gelten der Kritik aber oft als sozialdemokratischer Parteikünstler.

Nur frei floaten ist nix. Wenn man sich erregt, was die anderen falsch machen, muß man auch selbst was machen. Und dieses Etikett „SPD-Künstler“kommt ja von außen. Mich hat die Partei noch nie nach der Gestaltung von Plakaten gefragt. Aber dieses Schwimmen in einem diffusen Freiheitsbegriff, diese Unfähigkeit zur Gemeinschaft ist doch schlimm. Diese aktuelle Politikverachtung ist eine Vorstufe zur Demokratieverachtung. Je unpolitischer, desto weniger werden auch die Institutionen gestützt, auch im Kulturbereich. Und mit unpolitischen Leuten kann man dann alles machen.

Sie zeigen in provinziellen Kulturorten ebenso Präsenz wie auf Kunstmessen oder schon mehrfach auf der documenta. Auch vor der nächsten documenta werden Sie wieder einen Container aufbauen, um die Kunsttouristen zu erreichen.

Man muß kontinuierlich weiterarbeiten, bangemachen gilt nicht. Ich empfinde, auch wenn es altmodisch klingt, Verantwortung. Allerdings habe ich die Schwäche, Beobachter zu sein, und so registriere ich die Infantilisierung durch die Medien und die aggressiv blöde Unterhaltung. Meine Haupteinstellung geht eher dahin, Häme und Zynismus zu vermeiden. Ich glaube, es ist immer auch das eigene Versagen, wenn man zur Aussage kommt, daß die anderen alle spinnen.

...noch ein Schlußwort?

Meine Satire ist wie ein Zweikomponentenkleber: Text und Bild kommen zusammen, und dann sitzt es im Kopf. Fragen: Hajo Schiff

„Klaus Staeck – Störfall Kunst“, KX auf Kampnagel, Do-Sa 16-20, So 14-18 Uhr, bis 6. April, Katalog:„Staeck in der Produktion“im Steidl-Verlag, 32 Mark.