: Nein zu realen Schuljungs
■ Fan-Magazine: Echter Fan sein heißt, dasselbe Make-up wie die Stars zu benutzen und auch schon mal ein Paßfoto vom Traumboy ins Portemonnaie zu kleben
Für drei Mark neunzig zeigt uns Roland Pfaus vier Seiten lang den Kölner Jeans-Laden, in dem er am liebsten seine Hosen einkauft. Für jemanden, der in München wohnt und sich deshalb ohnehin niemals eine Hose in Köln kaufen wird, hört sich das vielleicht langweilig an, aber das ist es nicht! Nicht für die Fans von „Verbotene Liebe“. Dort spielt Roland Pfaus nämlich den als Haßperson angelegten Tim (der erst jüngst aus Eifersucht die Wiege seines Nichtgeborenen zerhackte), ist als solcher umstrittener Schwarm der weiblichen Fans und läßt sich alle vier Wochen neu für die bunten Seiten des offiziellen Verbotene Liebe-Magazins ablichten: beim Einkaufen, beim Essengehen, beim Schlafen, beim Kaffeekochen... Die Fans wollen alles über ihn und seine Kollegen wissen, und sei es auch noch so unspektakulär.
Der Stuttgarter Dino-Verlag trägt dem Wissensdurst der jugendlichen Fans Rechnung: Vor rund zwei Jahren startete man dort den Versuch, ein Gute Zeiten-Schlechte Zeiten-Heftchen auf den Markt zu werfen. Es wurde ein Erfolg. Nach anfänglichen Absatzschwierigkeiten entwickelte sich das 40 Seiten starke Fanzine zum Renner bei den Kids. Heute bietet der Zeitschriftenhandel zu fast jeder Soap ein monatliches Magazin: „Verbotene Liebe“, „Unter uns“, „Baywatch“, „Beverly Hills 90210“... Gut 90 Prozent der Käufer sind junge Mädchen zwischen 12 und 16. Der Inhalt der Postillen erinnert stark an Bravo: Foto- Love-Stories mit Sprechblasen lassen alte Geschichten aus der Soap noch einmal aufleben, Starposter, Aufkleber und vorgedruckte Autogrammkarten zeigen die Stars in allen erdenklichen Lebenslagen. Statt Dr. Sommer geben die Schauspieler Tips zu Sex und Beziehungskrisen, und alles dreht sich um Romantik, Mode und schöne Menschen. Die verliebten Teenies kriegen hier Futter für ihre Sehnsüchte, daß einem angst und bange werden kann. In der Rubrik „Stars privat“ finden sich deshalb auch schon mal schwülstige Poems mit dem Hinweis: „Dieses Gedicht hat Euer romantischer Lieblingsstar selbst verfaßt!“ Das Gedicht geht dann so: Ich sehe dich / Und sehe mich / umgeben von der weiten Natur / wir lassen uns verzaubern / von ihrer Magie / und lachen / und küssen / und lieben uns nur.
Da schmelzen die Herzen der jungen Fans; das hat der Star nur für sie alleine geschrieben! Nadine aus „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ gibt „Frisurentips“, Marco aus „Unter uns“ gibt bekannt, daß er auf Jeansjacken von „Wrangler“ steht, und plötzlich mutieren die Helden aus der Glotze zur Wirklichkeit! Dem Traumboy nahe sein heißt seine Lieblingsfilme gucken? So schick werden wie das Serienvorbild heißt, ihr Make-up zu benutzen! Das Fanmagazin bedeutet Nähe und Glückseligkeit. Und für diejenigen, die den Bezug zur Wirklichkeit dann ganz verloren haben, gibt es sogar „Paßfotos vom Traum-Lover zum Ausschneiden“. Wenn so eines dann erst mal im Klarsichtfach der Geldbörse steckt, haben reale Schuljungs allerdings keine Chance mehr. Deren Leben ist ja auch lange nicht so spannend wie das des TV- Schwarms. Der ist ja schließlich jeden Tag zu Gast bei ihnen zu Hause, und was er ihnen da nicht per Fernsehen erzählt, schreibt er ihnen liebevoll ins Fanmagazin. Kann Liebe noch inniger sein? Frank M. Ziegler
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