Aufständische auf dem Vormarsch

■ Sozialisten sollen neue Regierung in Albanien führen

Tirana (dpa/AFP/taz) – Die oppositionelle Sozialistische Partei (SP) wird die Übergangsregierung in Albanien führen. Darauf haben sich gestern Staatspräsident Sali Berisha und die Oppositionsparteien geeinigt, wie ein Sprecher der Sozialistischen Partei mitteilte. Die Übergangsregierung soll bis zu den Wahlen im Juni dieses Jahres aus 15 Ministern zusammengesetzt sein. Die Ministerien werden zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien möglichst paritätisch aufgeteilt.

Da die Sozialisten das Amt des Ministerpräsidenten erhalten, verzichteten sie auf ihre ursprüngliche Forderung, den Innenminister zu stellen. Das Innenministerium befehligt nicht nur die Polizei, sondern ist auch für die Durchführung der Neuwahlen zuständig. Uneinigkeit herrscht noch über die Person des sozialistischen Kabinettschefs. Der von den Sozialisten nominierte 30jährige Pandeli Majko wurde von Berisha abgelehnt.

Trotz dieser politischen Fortschritte stürmten die Rebellen im Süden nach Augenzeugenberichten den größten Militärflughafen des Landes und weigerten sich, ihre Waffen abzugeben. Bei der Einnahme des Luftwaffenstützpunkts bei Kucova (100 Kilometer südlich von Tirana) sollen den Rebellen bis zu 40 Kampfflugzeuge in die Hände gefallen sein. Auch der Ort Gramsh (110 Kilometer südöstlich von Tirana) hat sich nach diesen Informationen auf die Seite der Aufständischen geschlagen. Auf einem Kriegsschiff vor der Hafenstadt Vlorä hatte der italienische Botschafter am Montag auf Ersuchen des albanischen Präsidenten mit Vertretern der Aufständischen über eine Beilegung der Krise und die Abgabe der Waffen verhandelt. Die Rebellen versprachen lediglich die Wiederherstellung der Ordnung.

Am Montag hatten die Aufständischen sechs weitere Städte unter ihre Kontrolle gebracht. Die Lage in diesen Städten war gestern unklar. In vielen eroberten Städten plünderten die Menschen Läden, öffentliche Gebäude und Banken, berichten Augenzeugen. In Gjirokaster hätten maskierte Unbekannte das Krankenhaus ausgeraubt. Sie nahmen Medikamente, Lebensmittel und Bettzeug mit. Die Versorgungslage wird immer schlechter. Griechische Lastwagenfahrer weigern sich, nach Albanien zu fahren. Die Preise für Mehl, Reis und Nudeln stiegen in den vergangenen Tagen um das Zwei- bis Dreifache.