: SPD will moderatere Kindervisaregelung
■ Innenminister Kanthers Eilverordnung wird von SPD-regierten Ländern etwas abgemildert mitgetragen. Rot-grüne Länder verweigern sich dem Kompromiß
Hannover (taz) – Allen Protesten von Gewerkschaften und Einwandererverbänden zum Trotz will die SPD der umstrittenen Kindervisumsverordnung nun doch zu einer Bundesratsmehrheit verhelfen. Die Verordnung, die die Visafreiheit für alle Kinder und Jugendlichen unter 16 Jahren aus der Türkei, Marokko, Tunesien und dem ehemaligen Jugoslawien aufhebt, steht am Freitag im Bundesrat zur Abstimmung.
Über das Abstimmungsverhalten der SPD-regierten Bundesländer hatte es in den vergangenen Wochen eine Reihe von Gesprächen auf Staatssekretärsebene gegeben. Der niedersächsische Innenstaatssekretär Claus Henning Schapper rechnete nun gestern damit, daß am Freitag sowohl Kanthers Visumsverordnung als auch ein ergänzender Entschließungsantrag Niedersachsens in der Länderkammer eine Mehrheit finden wird. Nach Schappers Angaben werden nur einige rot-grüne Koalitionen der Entschließung nicht zustimmen. Schon im Innenausschuß des Bundesrats habe es für den niedersächsischen Entschließungsantrag eine Mehrheit aus den Stimmen jener Länder gegeben, die von CDU und SPD allein oder von Koalitonen der beiden großen Parteien regiert werden.
Der niedersächsische Antrag will vor allem festlegen, in welcher Form die Visumsverordnung von den Konsulaten und Ausländerämtern umgesetzt werden soll. So sollen die Konsulate, etwa in der Türkei, darauf verpflichtet werden, Visa für Besuche in der Bunderepublik „zügig und ohne persönliches Erscheinen des Antragstellers zu bearbeiten“.
Für die über 600.000 Kinder und Jugendlichen, die hierzulande etwa mit türkischem oder tunesischem Paß aufwachsen, sieht der Niedersachsen-Antrag vor, daß ihnen künftig von Amts wegen eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt wird. Bisher brauchen diese Kinder, die hier geboren oder ohne Visum eingereist sind, keine entsprechende Erlaubnis. Nach Angaben des niedersächsischen Innenstaatssekretärs will der Entschließungsantrag die Ausländerbehörden auf eine großzügige Praxis bei der Erteilung dieser Genehmigungen verpflichten. Geprüft werde nur, ob die betroffenen Kinder sich legal in der Bundesrepublik aufhielten und ob ein Elternteil über eine gültige Aufenthaltsgenehmigung verfüge. Stichproben über die Lebensverhältnisse der Kinder und ihrer Erziehungsberechtigten sollen aber nicht erhoben werden und schon gar keinen Einfluß auf die Erteilung eines Visums haben. Jürgen Voges
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