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Waigel weicht den Euro auf

■ Laut ihrem Konvergenzprogramm verfehlt die Bundesregierung das Verschuldungskriterium für die Währungsunion. Trotzdem will sie dabeisein

Brüssel/Berlin (dpa/AFP/rtr/ taz) – Die Europäische Währungsunion wird am 1.1.1999 starten, und die Konvergenzkriterien müssen strikt eingehalten werden, das war bisher unverrückbares Credo der Bundesregierung und der Bundesbank. Doch daß beides gleichzeitig nicht geht, muß nun auch Finanzminister Theo Waigel einräumen. In ihrem Konvergenzprogramm geht die Bundesregierung für 1997 von einer Gesamtverschuldung in Höhe von 61,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Im Maastricht-Vertrag wurde die Höchstgrenze auf 60 Prozent festgelegt. Ausschlaggebend für eine Teilnahme an der Währungsunion sind die Zahlen von 1997.

Am Montag beraten die EU-Finanzminister über das deutsche und das französische Konvergenzprogramm, worin die Regierungen darstellen, wie sie in den kommenden Jahren die Maastricht-Kriterien erfüllen wollen. Waigel rechnet fest damit, daß sein Programm wenigstens auf verhaltenen Beifall stößt. Denn die Neuverschuldung werde er ganz bestimmt auf 2,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts drücken, klar unterhalb der magischen Grenze von drei Prozent im Vertrag. Eine ernsthafte Kritik an Waigels Programm sei nicht zu erwarten, meinte ein deutscher EU-Diplomat. Jedoch werde der Ministerrat Deutschland möglicherweise zu besonderen Anstrengungen gegen die Arbeitslosigkeit und zu zusätzlichen Sparmaßnahmen auffordern.

Ein Sprecher des Bundesfinanzministeriums sagte der taz, auch mit der höheren Gesamtverschuldung bleibe die Bundesregierung im Rahmen des Maastricht-Vertrags. Denn der verlange lediglich „Nachhaltigkeit“ bei der Verschuldungssituation. Das deutsche Programm sieht vor, daß die Verschuldung von derzeit 60,7 auf 61,5 Prozent in diesem Jahr steigt und auch 1998 immer noch zwischen 61 und 62 Prozent liegt, dann aber sinkt. Die Überschreitung sei außergewöhnlich und zeitlich begrenzt, weil sie durch die vereinigungsbedingte Übernahme der Treuhand- Schulden durch den Bund bedingt sei. Im übrigen, so der Sprecher, sei das Defizitkriterium viel wichtiger, und das würde eingehalten.

Ob das Haushaltsdefizit von 4 Prozent Ende 1996 tatsächlich auf 2,9 Prozent gedrückt werden kann, ist jedoch fraglich. Waigels Berechnungen basieren auf einem Wachstum von 2,5 Prozent und einer Arbeitslosenzahl von 4,1 Millionen im Durchschnitt des Jahres 1997. Bei derzeit 4,7 Millionen Arbeitslosen würde dies bedeuten, daß die Zahl im Laufe des Jahres deutlich unter die Vier-Millionen- Marke sinken müßte. Waigel wollte gestern nicht ausschließen, im laufenden Jahr noch eine Haushaltssperre zu verhängen. lieb

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