: Wenn Frauen zuviel... Von Susanne Fischer
Jetzt neu: Frauen entdecken ihren Körper. Huhu, kleiner Zeh! rufen sie, tust mir nie weh! Was bist du doch für ein niedlicher Gesell.
Ich habe Pilz, antwortet der Zwerg, und mein Pilz ist psychosomatisch. Du hast mich nie beachtet. Immer hast du bloß im Spiegel deinen Busen und deine Nase angeglotzt. Nie hast du dich gefragt, was ich für deine weibliche Identität bedeute. Jetzt hast du den Salat. Morgen bekomme ich ein Hühnerauge, und danach werde ich überhaupt immer häßlicher.
Ach, kleiner Zeh! rufen die Frauen, das tut mir jetzt aber weh! Daß du so gefühllos sein kannst. Du mußt auch mal auf meine Bedürfnisse eingehen. Eben habe ich dich entdeckt, und schon machst du Krawall. Soll ich eine neue Diät an dir ausprobieren? Mir ein Buch über Zehengymnastik kaufen? Soll ich mich mit anderen Weibern treffen, damit wir über unsere kleinen Zehen sprechen?
Nee, sagt der kleine Zeh. So einfach hättest du's wohl gern. Aber wer nicht auf seinen Körper achtet, muß in die Therapie. In die Kleine- Zehen-Therapie gegen Minderwertigkeitskomplexe.
Aber du bist doch gar nicht minderwertig, kleiner Zeh. Du bist rund und niedlich und nur ein bißchen klein, und Frauen entdecken ihren Körper. Wie möchtest du heißen? Was man entdeckt hat, muß einen Namen bekommen, sonst hat man es nicht wirklich entdeckt. – Ich habe längst einen Namen, und die Minderwertigkeitskomplexe solltest du haben. Ich heiße Arthur Kleinerzeh und werde mir doch von so einer häßlichen Schrulle mit zu langer Nase und mittelmäßigem Busen keinen neuen Namen verpassen lassen!
Aber, äh, ich... Ja, du, du, immer bloß du. Du und deine weibliche Identität. Da stört unser Arthur nur, leb ruhig so weiter, mit mir kann man's ja machen. Ich sitze ja im Schuh und werde nicht gefragt.
Nein, also, du verstehst das ganz falsch, wir kennen uns ja schon lange, aber jetzt entdecken Frauen ihren Körper, und da dachte ich, ich könnte dich noch mal, also praktisch, ob wir nicht von vorne anfangen können irgendwie?
Der Rest ist Zehenschweigen. Wenn wir Glück haben. Wenn wir Pech haben, veröffentlicht die Frau ein Buch über ihre intensiven Erfahrungen. Aus Gründen der Fairneß wird Arthur auf dem Titel als Co-Autor erwähnt. Und wenn es erst einmal soweit ist, kann auch die Ratgeberliteratur für Frauen, die ihren Zeh entdeckt haben, geschrieben werden, und dann für Frauen, die ihre Zehen zu sehr entdeckt haben und nun nichts anderes mehr wollen im Leben als immer nur Zehen, Zehen, Zehen.
Irgendein Unglück rund um den Zeh wird sich schon finden lassen, das es zu beheben gilt, während die Männer weiterhin unsensibel, ungestraft und ungestört in ihren Aufsichtsräten und Ministerien herumsitzen und Krawatten tragen, deren Muster epileptische Anfälle verursachen. Sogar ins Fernsehen trauen sie sich mit den grellbunt geäugelten, schlappen Schwanzsymbolen, ohne sich einmal nach ihrer langweiligen Männeridentität zu fragen oder vielleicht und naheliegender noch, ob man irgend jemandem den Anblick bonbonfarbener Wichtigtuerlätzchen zumuten sollte.
„Männer entdecken ihre Krawatten“ – das wäre einmal eine wirklich neue Nachricht, und eine erfreuliche noch dazu. Kleiner Zeh, was hältst du davon?
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