piwik no script img

Italienische Regierung ruft den Notstand aus

■ Albanische Flüchtlinge erhalten nur begrenzte Aufenthaltsdauer. Albaniens Regierungschef lehnt Forderung der Rebellen nach Rücktritt Präsident Berishas ab

Tirana / Rom (AFP/Reuter/taz) Angesichts der Massenflucht aus Albanien hat die italienische Regierung gestern für das ganze Land den Notstand ausgerufen. Zugleich erließ die Regierung ein Dekret, das die Aufenthaltsdauer der Flüchtlinge auf 60 Tage begrenzt, die um 30 Tage verlängert werden kann. Die Regierung kann jetzt auf Gelder zurückgreifen, die für Notsituationen vorgesehen sind. Zugleich können die Behörden jeden Albaner abschieben, der als Gefahr für die öffentliche Ordnung gilt. Eine erste Gruppe von 135 „Kriminellen“ wurde mit Hubschraubern nach Albanien zurückgebracht. Die Zahl der Flüchtlinge in Italien bezifferte Innenminister Napolitano auf bislang 10.619.

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein rechnet nach einem Bericht der Bild-Zeitung damit, daß in den nächsten Tagen die ersten albanischen Flüchtlinge nach Bayern kommen. Er habe die Grenzpolizei angewiesen, verstärkt zu kontrollieren. Es seien rund 1.500 Beamte im Einsatz. „Sorge bereitet uns, daß unter den Flüchtlingen viele Kriminelle sind“, sagte Beckstein.

Der albanische Regierungschef Bashkim Fino wies gestern ein Ultimatum der Aufständischen zurück, die den Rücktritt von Präsident Sali Berisha bis zum heutigen Donnerstag gefordert hatten. In einer Fernsehansprache sagte er, Ultimaten „sind für uns völlig inakzeptabel, wir sind für den Dialog“. Aus Gjirokastär verlautete jedoch, daß Fino angeblich keine Zeit für ein Gespräch mit den Rebellen habe. In der Hauptstadt blieb die Lage gespannt. Zwar öffneten wieder zahlreiche Geschäfte, doch die Preise stiegen angesichts knapper werdender Vorräte um rund 30 Prozent. Banken und Schmuckgeschäfte blieben weiter geschlossen. Der Flughafen von Tirana soll nach Angaben des Innenministeriums heute wieder geöffnet werden.

Die EU-Delegation betonte zum Abschluß ihrer zweitägigen Mission in dem Balkanland, die Albaner müßten zunächst selbst für eine Beruhigung der Lage sorgen, bevor die Europäische Union Hilfe leisten könne. Zur albanischen Bitte um EU-Hilfe sagte der Leiter der Mission, der niederländische Diplomat Jan D'Ansembourg: „Die Albaner müssen die Rahmenbedingungen schaffen, damit unsere Hilfe nicht in die falschen Hände gerät.“ Der Ständige Ausschuß der Parlamentarischen Versammlung des Europarats in Straßburg schlug vor, zur Beendigung der Krise ein Dreierkomitee aus Vertretern des Europarats, der EU und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu schaffen.

Innerhalb von 24 Stunden wurden in Albanien gestern mindestens 14 Menschen getötet, darunter vier Kinder beim Spielen mit Gewehren. Sechs Menschen kamen bei Schießereien zwischen bewaffneten Banden zu Tode.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen