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„Wir setzen auf Stabilisierung“

■ Interview mit dem Vizepräsidenten der Untergrundrepublik Kosovo, Fehmi Agani (70), Professor für Philosophie in Priština

taz: Albanien ist in Aufruhr, die Albaner im Kosovo verhalten sich ruhig. Wie kommt das?

Agani: Die Ereignisse in Albanien haben uns sicherlich überrascht. Daß es in Albanien sehr gravierende Widersprüche im wirtschaftlichen Bereich gab, wußten wir. Und daß die Periode des Übergangs vom Sozialismus in die Marktwirtschaft schwierig sein wird, auch. Wir sahen jedoch eine solche Entwicklung nicht voraus. Wir glauben aber, daß sich an der Einstellung Albaniens zu Kosovo nichts ändern wird, unabhängig davon, welche Regierung in Tirana an der Macht ist.

Die Destabilisierung Albaniens betrifft Sie also gar nicht?

Natürlich hat die Destabilisierung Albaniens einen Einfluß auf das Geschehen hier, für uns ist das psychologisch nicht ganz einfach. Wenn der albanische Staat nicht mehr funktionsfähig ist, fehlt auch die diplomatische Unterstützung für unser Anliegen. An unserer Politik wird sich nichts ändern. Wir werden weiterhin gegen das Apartheidsystem hier kämpfen müssen, das uns die serbische Seite aufzwingt.

Gibt es irgendwelche Hinweise darauf, daß die serbische Seite die Rebellen in Albanien unterstützt?

Wir haben über ein direktes und aktuelles Engagement von serbischer Seite in Albanien keine Informationen, aber wir wissen, daß es in der Vergangenheit immer wieder Versuche gab, die Entwicklung Albaniens zu stören. Der jetzige Konflikt scheint mir nicht von außen beeinflußt zu sein.

Im internationalen Rahmen wird eine militärische Intervention diskutiert. Wie denken Sie darüber?

Wir haben keine ausgereifte Position dazu, wir diskutieren noch darüber, aber die Waage neigt sich gegen die Idee einer militärischen Intervention. Wir glauben, daß es Kräfte in Albanien selbst gibt, die zu einer Stabilisierung beitragen.

Heißt das, daß Sie immer noch auf Präsident Berisha setzen? Die Rebellen fordern seinen Rücktritt.

Es ist wahr, in der Vergangenheit haben wir Berisha unterstützt, er ist immerhin der erste, aus freien Wahlen hervorgegangene, nichtkommunistische Präsident Albaniens. Wir haben die Demokratiche Partei unterstützt, haben jedoch auch gute Kontakte zu anderen Parteien unterhalten. In letzter Zeit hatte sich die Beziehung zu Berisha jedoch abgekühlt.

Warum? Hat das mit seinem autokratischen Stil zu tun?

Wenn ich Journalist und nicht Politiker wäre, käme ich vielleicht auf ähnliche Ideen. Autokratisches Verhalten ist in der albanischen Gesellschaft tief verankert. Interview: Erich Rathfelder

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