: Kaffee und Kekse statt Knüppel
Plaudern mit der Polizei, Platzverweis für Dealer und ABM-Stellen für Bewohner: Die Situation auf dem Bauwagenplatz an der Altonaer Gaußstraße entspannt sich ■ Von Marco Carini
Die personelle Besetzung des Kaffeekränzchens ist ungewöhnlich – Polizei meets Punks. Am heutigen Montag wollen die Revierleiter der Altonaer Polizeiwache Mörkenstraße sich in ihrer Dienststelle zum Plausch mit einigen BewohnerInnen des umstrittenen Bauwagenplatzes Gaußstraße treffen. Bei Kaffee und Keksen wollen beide Gesprächsparteien – auch das nicht gerade üblich nachbereiten, warum sie sich vor einer Woche um ein Haar eine Schlacht geliefert hätten.
Rund 30 Polizeibeamte hatten am vergangenen Sonntag zu mitternächtlicher Stunde in voller Kampfmontur den Platz auf der Suche nach Haschisch gestürmt. Ein unbewohnter Wagen wurde durchsucht, doch fündig wurden die Beamten nicht. Die Stimmung aber war durch den nächtlichen Einsatz aufgeheizt. „Die Situation wäre fast gekippt“, erinnert sich Polizeihauptkommissar Dieter Herrmann. Und Platzbewohner Michael befürchtet: „Wenn die Polizei hier nochmal so einläuft, könnte es eskalieren“.
Damit es dazu nicht kommt, wurde das Nachbereitungs-Gespräch anberaumt. Die BauwagenbewohnerInnen fühlen sich seit einer Drogenrazzia auf dem Platz Anfang Februar, bei der es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Bereitschaftspolizei und einigen PlatzbewohnerInnen kam, durch „ständige Polizei-Schikanen tyrannisiert“. Häufig würden Beamte stundenlang die Eingänge des Platzes kontrollieren und BesucherInnen notieren. Revier-Vize Herrmann hingegen empfindet die Situation „so entspannt wie selten“.
Der Grund für diese Einschätzung: Seit der Februar-Razzia gehen die Bauis – ihr Platzplenum hat es so beschlossen – gegen alle BewohnerInnen vor, die auf dem Bauwagengelände Dope verdealen. Zwar gehört für die meisten der rund 120 PlatzbewohnerInnen der Stoff längst legalisiert, doch fast alle sind sich einig: „Der Fortbestand des Platzes ist uns wichtiger.“Auch Hauptkommissar Herrmann bestätigt: „Der einst schwunghafte Haschischhandel ist auf Null zurückgegangen.“
Doch der Platzverweis für weiche Drogen hat nicht nur Vorteile für den Stadtteil. So bestätigt Herrmann, daß sich seither die weiche und die harte Drogenszene in Ottensen zunehmend vermischen. „Auf dem Bauwagenplatz gab es einen Ehrenkodex, daß harte Drogen nicht verkauft werden“, weiß der Hauptkommissar. Bei Dealern, „die nun das entstandene Vakuum ausfüllen, gibt es den nicht“. Da der Verkauf harter Drogen lukrativer sei, würden die Dealer in Ottensen versuchen, Haschkonsumenten „auf Kokain und andere harte Drogen überzuleiten“, hat der Beamte beobachtet. Eine Kneipe in der Umgebung wurde wegen Drogenhandels bereits geschlossen.
Seit auf dem Bauwagenplatz nicht mehr Stoff gehandelt wird, fehlt vielen BewohnerInnen zudem die bisherige Einnahmequelle. Die Folge laut Hermann: „Das Schnorren am Spritzenplatz hat sprunghaft zugenommen.“Der Hauptkommissar befürchtet nun, „daß es bald wieder Probleme mit den dortigen Geschäftsleuten“geben könnte, die um Kunden und Einnahmen fürchten.
Deshalb will Bezirksamtsleiter Uwe Hornauer (SPD) am heutigen Montag in Zusammenarbeit mit der Sozialbehörde den Antrag für ein neues ABM-Programm auf den Weg bringen. Dadurch sollen zumindest einige PlatzbewohnerInnen eine bezahlte Tätigkeit erhalten, deren Vergütung nicht von der Sozialhilfe abgezogen wird. Träger des Projektes, für das zwei ABM-Stellen geschaffen werden könnten, soll der Verein Jugendhilfe Ottensen werden.
Auch sonst hat sich rund um den Wagenplatz in den vergangenen Wochen, so Hornauer, „vieles in eine positive Richtung entwickelt“. Der Bezirk hat vermehrt Müllcontainer aufgestellt und die BewohnerInnen bei der Verschrottung ausgedienter Bauwagen unterstützt. Zwar räumt Hornauer ein, „daß aufgrund der beschränkten Mittel des Bezirks“die Müllentsorgung nur „zäh vorankommen“würde, doch sei es auf dem Platz bereits wesentlich sauberer und hygienischer geworden“.
Auch die Vermittlung von Sozialwohnungen für rund 25 umzugswillige BauwagenbewohnerInnen, komme „voran, wenn auch nicht in einem voll befriedigenden Tempo“. So hat allein die SAGA, wie ihr Sprecher Hermann Boekholt bestätigt, „bereits fünf Platzbewohnern eine Wohnung vermittelt und neun weiteren ein konkretes Angebot vorgelegt“.
Sollte es am heutigen Montag gelingen, die Atmosphäre zwischen Polizei und PlatzbewohnerInnen zu entspannen, stehen die Zeichen auf friedliche Koexistenz. Ein Ergebnis der Montagsrunde steht schon fest: „Wir werden die Einladung auf die Wache mit einer Gegeneinladung beantworten“, verspricht Platzbewohner Michael. Wenn Polizeibeamte das nächste Mal das Gelände an der Gaußstraße betreten, dann soll es keine Keilerei, sondern nur Kaffee und Kuchen geben.
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