: Homophob im Namen des Herrn
■ Ein Pfarrer der „Gemeinde Gottes“ kämpft um Aberkennung des Bundesverdienstkreuzes für offen lesbische Kirchenfrau. Protestbrief im Namen einer nicht existierenden Kirchengemeinde
Pastor Johannes Matutis ist besorgt. „Wenn wir jetzt schweigen, geht es abwärts“, befürchtet er. „Wir müssen unsere Stimme erheben.“ Der Gottesmann nimmt Anstoß an der offen lesbischen Herta Leistner, die in München das Frauenstudien- und Bildungszentrum der Evangelischen Kirche leitet. Im Dezember vergangenen Jahres erhielt Herta Leistner für ihr Engagement das Bundesverdienstkreuz. Matutis fordert nun von Bundespräsident Roman Herzog, ihr die Auszeichnung abzuerkennen. „Sie haben hier Frau Leistner gewürdigt für ,Verdienste um die Emanzipation lesbischer Frauen in Kirche und Gesellschaft‘“, schrieb Matutis letzte Woche an Herzog. Mit Herta Leistner sei eine Person geehrt worden, „die an der Demoralisierung unseres Volkes aktiv mitgewirkt hat“, heißt es weiter in dem Schreiben.
Pfarrer Matutis schrieb die Protestnote im Namen der „Neuen Nazareth-Kirchengemeinde in Berlin-Wedding“. Allein, diese „Gemeinde“ existiert nicht. Matutis ist Pastor der weltweit aktiven Evangelischen Freikirche „Gemeinde Gottes“, zu der in Berlin nach seinen Angaben etwa 1.800 Personen zu rechnen sind. Als seine „Gemeinde“ bezeichnet er etwa 200 Gläubige, die seine Gottesdienste in der Neuen Nazareth- Kirche am Leopoldplatz besuchen. Die „Gemeinde Gottes“ hingegen, die nicht der evangelischen Landeskirche angehört, verschweigt Matutis in seinem Schreiben. Der Pfarrer gibt an, daß er nicht den Eindruck habe erwecken wollen, es handele sich bei den freikirchlichen Nutzern der Neuen Nazareth-Kirche um eine Institution der Landeskirche. Dieser Eindruck könne auch nicht entstehen.
Das sieht der geschäftsführende Pfarrer der unmittelbar benachbarten evangelischen Nazareth- Kirchengemeinde anders. Jens- Uwe Krüger schrieb an das Bundespräsidialamt, um Verwechslungen vorzubeugen: „Uns als zur Evangelischen Kirche Berlin- Brandenburg gehörenden Kirchengemeinde liegt daran, mit der oder den Gruppierungen des Herrn Matutis nicht in Verbindung gebracht zu werden. Auch vom Inhalt seines Briefes distanziere ich mich als Pfarrer der Gemeinde aufs schärfste.“ Ebenso legt die „Evangelische Kirche in Berlin und Brandenburg“ Wert darauf, „nichts mit Matutis und der Gemeinde Gottes“ zu tun zu haben, so Pressesprecher Reinhard Stawinsky.
Der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HUK) e.V. ist die „Gemeinde Gottes“ nicht unbekannt. Es handele sich um eine fundamentalistische Freikirche, die die historisch- kritische Auslegung der Bibel ablehne, erklärt Pastor Udo Kelch von HUK, der im Dienst der evangelischen Kirche steht. Kelch widerspricht der Überzeugung von Matutis, nach der Homosexualität nicht mit der Bibel zu vereinbaren ist. „Die Bibel ist weltbildmäßig zeitgebunden. Da steht auch drin, daß die Erde eine Scheibe ist.“
Von diesem Ansatz der Bibel- Exegese scheint Pastor Matutis nicht viel zu halten. Er will nun bundesweit Unterschriften gegen Herta Leistner sammeln. Und ein neues Opfer hat er auch schon gefunden: den schwulen Leipziger Theologen Eduard Stapel. Der erhielt nämlich im vergangenen Jahr für seine Arbeit in der Schwulenbewegung der DDR die Verdienstmedaille des Verdienstordens. Holger Wicht
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