: Tauwetter in Nahost
■ Israel will die Kontakt zu den Palästinensern nicht ganz abbrechen
Jerusalem (AFP/dpa/taz) – Israels Regierung will die Verhandlungen mit den Palästinensern doch nicht gänzlich abbrechen – jedoch: Es fehlt ihr der Gesprächspartner.
Am Sonntag abend hatte das israelische Kabinett nach vierstündiger Debatte verkündet, um zu verhindern, daß die israelisch-palästinensischen Kontakte eingefroren werden, müsse Jassir Arafat scharfe Maßnahmen gegen den Terrorismus anordnen. Im einzelnen müsse er dafür sorgen, daß die Autonomiebehörde in Sicherheitsfragen mit Israel kooperiert, Anstachelungen zu Gewalttaten und antiisraelischen Demonstrationen verhindert, die Infrastruktur radikaler Gruppen zerstört, Terroristen festnimmt und bestraft, Waffen in illegalem Besitz beschlagnahmt und israelische Auslieferungsanträge prüft. Doch der Chef der Autonomieverwaltung weilte da schon bei einem Gipfel der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) im fernen Pakistan. Von da will er nach Ägypten und Marokko weiterfliegen. Die Rückreise ist für das Wochenende geplant.
„Herr Arafat muß anwesend sein. Ohne ihm kann keiner die notwendigen Anweisungen geben, um den Terror zu beenden“, schimpfte Israels Außenminister David Levy gestern im israelischen Rundfunk. Arafat müsse seine Auslandsreise unterbrechen, um den „Terrorismus“ im eigenen Land zu bekämpfen. Die Probleme ließen sich nicht im Ausland, sondern nur vor Ort lösen.
Im Land gebliebene palästinensische Vertreter bezeichneten gestern den israelischen Forderungskatalog als unannehmbar. Arafats Berater Ahmad Tibi beschuldigte die israelische Regierung, die Verantwortung für den Selbstmordanschlag eines Palästinensers auf ein Café in Tel Aviv am vergangenen Freitag auf seinen Chef abwälzen zu wollen. Damit werde der Friedensprozeß nicht vorangebracht. Der beste Weg, diesen zu erneuern sei die bisherigen Abkommen auch umzusetzen. Die israelisch- palästinensischen Spannungen hätten sich mit dem Baubeginn der jüdischen Siedlung Har Homa im arabischen Ostteil Jerusalems vor einer Woche verschärft.
Im Gegenzug beschuldigte der Leiter des israelischen Armee-Geheimdienstes, Mosche Jaalon, den palästinensischen Sicherheitschef Dschibril Radschub gestern, die jüngsten Unruhen in Hebron und kleineren Orten des Westjordanlands organisiert zu haben. „Die Zusammenstöße in den Gebieten wurden von der Fatah-Organisation geleitet, unterstützt und organisiert von Dschibril Radschub. Die Palästinenser hoffen auf weitere Eskalation“, erklärte der General.
Die israelische Zeitung Jedioth Achronoth berichtete gestern jedoch, die israelische Armee wolle „die guten Beziehungen zum palästinensischen Sicherheitsapparat weiter optimieren“. Man sei besorgt, sie nicht zu verärgern, „auch wenn es völlig klar ist, das Radschub seine Hand mit im Spiel gehabt hat“, schrieb das Blatt.
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