: „Eins und eins ist eben nicht zwei“
■ Paul Ring, Vorsitzender des Krupp-Konzernbetriebsrats, hält eine Stahlfusion mit Thyssen auch langfristig für falsch
taz: Warum werden auf einmal die Banken zu Sündenböcken für den drohenden Stellenabbau in der Stahlbranche gemacht?
Paul Ring: Man muß ganz realistisch sehen, daß die Leute im Stahlsektor Angst um ihre Arbeitsplätze haben; das ist das Thema Nummer eins. Manchmal ist da bei den Beschäftigen auch ein bißchen Hilflosigkeit im Spiel. Die Stimmung wird eben explosiver, das ist auch für uns als Betriebsräte jetzt eine große Sorge.
„Stahlarbeiter lassen sich nicht wie Sklaven verkaufen“, lauten die Parolen. Von wem werden die Stahlarbeiter verkauft?
Eins und eins ist eben nicht zwei. Wir haben in der Vergangenheit gemerkt, daß bei einer Fusion immer unglaubliche Rationalisierungspotentiale zutage treten. So etwas geht also immer zu Lasten der Beschäftigten. In diesem Sinne ist unsere Sorge um den Verkauf von Stahlarbeitsplätzen zu sehen.
Selbst die Gewerkschaften haben dem sogenannten Optimierungsplan von Krupp zugestimmt, wonach 2.200 der derzeit noch 10.000 Arbeitsplätze abgebaut werden sollen.
Wir haben uns damit sehr schwergetan. Aber das zeigt doch, daß die Arbeitnehmervertreter sich nie der Verantwortung entzogen haben.
Werden durch die Fusion darüber hinaus noch weitere Stellen abgebaut?
Die Gefahr ist riesengroß.
Wie viele?
Das kann ich nicht sagen, das wäre reine Spekulation.
Die NRW-Landesregierung steht der Gründung einer Ruhrstahl-AG offenbar durchaus aufgeschlossen gegenüber, weil der sowieso unvermeidliche Arbeitsplatzabbau dadurch langfristig geringer ausfallen würde.
Das sehen wir ganz anders. Wir meinen, der aussichtsreichere Weg ist das Konzept, das wir bei Krupp-Hoesch mittragen, das heißt Investitionen plus der vereinbarte Personalabbau. Damit müßten wir erst einmal ein paar Jahre Luft bekommen.
Ein paar Jahre. Und langfristig? Würde ein Zusammenschluß die deutsche Stahlindustrie nicht international wettbewerbsfähiger machen?
Zur Zeit stehen wir einer Fusion klar ablehnend gegenüber. Nicht wir haben schließlich die Fusion gewollt, sondern die Unternehmer. Für uns bei Krupp gibt es derzeit nur einen Weg: Unterhalb des im Optimierungskonzept beschlossenen Stellenabbaus darf es keine Lösung geben. Interview: Nicola Liebert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen