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So sexy der Untergrund, so rein das Recht

Harrison Ford als väterlicher Cop und Brad Pitt als traumatisierter IRA-Untergrundschönling: In Alan J. Pakulas Film „Vertrauter Feind“ leiden Männer am Vater-Sohn-Konflikt und werden ausgiebig hin- und hergerissen  ■ Von Anke Westphal

Tom O'Meara ist einerseits Ire in New York, andererseits auch Cop. Weil in fremden Gefilden die Herkunft verbindet, nimmt O'Meara (Harrison Ford) einen anderen Iren als Untermieter auf. Die beiden, eine Generation auseinander, mögen sich. Was Tom nicht ahnt und erst erfährt, als ihn drei maskierte Männer besuchen: Rory Devaney ist ein gesuchter irischer Terrorist und heißt mit wahrem Namen Frankie McGuire. Nach New York kam er, um Raketen für die IRA zu beschaffen.

Politik und Männerfreundschaft ergeben filmisch das Synonym zum sogenannten Frauenfilm, nämlich den sogenannten Männerfilm, der aus Gründen üblicher Geschlechterzuschreibungen gern belächelt wird, weil es sonst so wenig Gelegenheiten gibt, bei denen Männer ausgiebig hin- und hergerissen oder enttäuscht sind, zweifeln und sich ausführlich entschlossen entschließen, und das auch noch eindeutig. Angereichert wird diese Nebenlinie des durch Action sublimierten Gefühlskinos meist mit einem metaphorischen Vater-Sohn-Konflikt, in dem der eine den anderen entweder in übertragenem Sinn oder tatsächlich verrät und/oder tötet.

Bei Pakula („Die Unbestechlichen“, „Die Akte“) sieht der vertraute Feind und abgefallene Sohn aus wie Brad Pitt, den ich ob seiner extremen Glätte einfach nicht für einen guten Schauspieler zu halten vermag: Brad Pitt bleibt doch immer Brad Pitt, der Schwarm pubertierender Mädchen. Nun ist es bisher äußerst selten oder vielleicht sogar noch nie vorgekommen, daß IRA-Soldaten im Film als richtig erwachsene Männer dargestellt werden – ein interessanter Umstand. Auch Harrison Ford als Cop im Gewissenskonflikt kann Brad Pitts partielle Unfähigkeit zur Differenzierung eines stahlharten, wenn auch traumatisierten Untergrundschönlings nicht komplett auffangen. Das ist eines.

Das andere ist das Dilemma mit dem Feindbild im Film nach dem Untergang der sozialistischen Staaten. Wie schrieb Entertainment Weekly so treffend: „Als der Kalte Krieg endete, wurde oft gefragt, wer denn nun die Kommunisten als bad guys ersetzen solle. Antwort: Jeder beliebige Ausländer mit einer Bombe.“ Nur langweilt man sich inzwischen als Publikum mit den bombenlegenden Ausländern ähnlich wie mit den Kommunisten.

Was ist ein Feind? Rory-Frankie mußte als Kind mit ansehen, wie sein Vater von maskierten Männern erschossen wurde. Tom O'Meara, ein Mann, der an das Recht glaubt, der in 23 Jahren Polizeiarbeit exakt viermal geschossen hat und also fast als Pazifist durchgehen kann, gerät durch den Kontakt zu Rory-Frankie wider Willen auf die Wippe von Gewalt und Gegengewalt. O'Meara deckt die wahre Identität von Frankie auf und läßt ihn verhaften. Weil das den Ansprüchen eines amerikanischen Publikums an Action und tragischem Konflikt nicht genügt, flieht Frankie effektvoll und ballert Toms Partner nieder. So sexy, doppelbödig und verletzt der Untergrund – so rein das Recht und die Moral. Der kleinste Nenner all dieser politisch-erotischen Implikationen ist jedenfalls, und das ist schon wieder erhellend, Blut.

„Vertrauter Feind“. Regie: Alan J. Pakula. Buch: Kevin Jarre. Mit Brad Pitt, Harrison Ford, Margaret Colin, Ruben Blades u.a. USA 1997

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