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Belgien droht Regierungskrise

■ Die Anklage gegen Ex-Sozialistenchef Guy Spitaels wegen Bestechlichkeit setzt eine Schlammschlacht in Gang

Brüssel (taz) – Die Schmiergeldaffären um zwei Rüstungsaufträge nagen zunehmend am Fundament der belgischen Zentralregierung. Am Osterwochenende erhob die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Bestechlichkeit gegen den früheren Sozialistenchef und Ex-Präsidenten der Region Wallonien, Guy Spitaels.

Unter den Sozialisten Walloniens, der zweitstärksten Partei in der belgischen Regierungskoalition, ist inzwischen eine Schlammschlacht ausgebrochen, die zum Niedergang der Partei und zu einer ernsten Regierungskrise führen könnte. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen wiegen um so schwerer, als es dabei auch um den Mord an André Cools geht, der vor Spitaels Chef der Sozialisten war und im Sommer 1991 auf einem Parkplatz erschossen wurde. Cools, der Pate von Lüttich, hatte offensichtlich den Verdacht, daß Guy Spitaels und andere die Spenden der Rüstungsfirmen nicht wie üblich in die Parteikasse, sondern in die eigene Tasche gesteckt hätten. Gegenüber Parteifreunden drohte er, die Sache auffliegen zu lassen. Einen Monat später war er tot.

Bereits Anfang 1994 geriet Spitaels ins Fadenkreuz der Ermittler. Die Lütticher Staatsanwaltschaft hatte auf Parteikonten rund 700.000 Mark gefunden, die 1988 von der italienischen Rüstungsfirma Agusta überwiesen worden waren, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, als die belgische Regierung beschloß, 46 neue Hubschrauber zu kaufen. Entgegen dem Rat der Fachleute ging der Auftrag an Agusta. Bei der Sozialistischen Partei Flanderns fanden die Ermittler sogar 2,5 Millionen Mark. Wie fast alle belgischen Parteien haben sich auch die Sozialisten vor Jahrzehnten in einen flämischen und einen wallonischen Teil gespalten, die sich allerdings nur in Geldsachen einig sind. Mehrere Minister mußten zurücktreten. Auch der ehemalige Nato-Generalsekretär Willy Claes, der 1988 als belgischer Wirtschaftsminister an der Agusta-Entscheidung beteiligt war, verlor sein Amt. Doch danach hatte es die belgische Justiz nicht mehr besonders eilig. Bis heute gibt es gegen Claes und andere Politiker keine Anklage. Spitaels konnte sich nach seinem erzwungenen Abgang als Ministerpräsident sogar zum Präsidenten des wallonischen Regionalparlaments wählen lassen.

Drei ehemalige Parteimanager beschuldigen Spitaels, nicht nur von Agusta, sondern auch von der französischen Rüstungsfirma Dassault Geld genommen zu haben. Der angesehene Spitaels schlug zurück: Die drei hätten die Schmiergelder ohne sein Wissen angenommen und auf Luxemburger Konten geleitet. Die Schlammschlacht fördert auch Neuigkeiten zutage. So soll Spitaels das Geld auf insgesamt fünf Konten verteilt haben, um es vor André Cools zu verstecken. Ehemalige Cools-Vertraute streuen sogar den Verdacht, Spitaels habe den Mord an ihrem Chef gefingert. Einige Schlammspritzer sind auch beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg gelandet. Der frühere belgische Justizminister, jetzt Richter am höchsten EU-Gericht, soll nach Zeugenaussagen ebenfalls Schmiergelder von Dassault angenommen haben. Alois Berger

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