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„Fortschritt erkennbar“

■ Die zweite Heidgrabener Fußballmannschaft ist spitze: 225 Gegentore in 22 Spielen sind Hamburger Ligarekord

Kein Team im offiziellen Hamburger Ligabetrieb hat mehr Gegentore kassiert als die zweite Mannschaft des Sport-Vereins Heidgraben, einem Dorf zwischen Elmshorn und Pinneberg. Bereits 225mal klingelte es diese Saison im Karton des punktlosen Schlußlichts der Kreisklasse 6: im Schnitt über zehn Gegentreffer pro Spiel. Wie gut, daß ein Abstieg aus der untersten Liga nicht mehr möglich ist. Die taz war beim Training und sprach mit Übungsleiter Gerald Laß. Der Coach des unverzagten Neuntligisten stellte mit dem 20jährigen Sven Seifert seinen neuen Torhüter und „Hoffnungsträger“vor. Der etatmäßige Keeper Andreas Kessler war leider nicht zu sprechen. Er legt derzeit eine schöpferische Pause ein. „Das hat jedoch nichts mit seinen Leistungen zu tun“, versicherte der 41jährige Laß.

taz: Wie ist die Stimmung bei null Punkten und einem Torverhältnis von 17:225?

Gerald Laß: Nach wie vor gut. Obwohl wir bislang alle 22 Spiele deutlich verloren haben, ist der Spaß am gemeinsamen Sport noch nicht verlorengegangen.

Haben Sie Spaß am Verlieren?

Laß: Natürlich nicht. Alle kennen sich aber untereinander sehr gut. Die Kameradschaft hält das Team zusammen. Zudem haben wir in der Rückserie nicht mehr ganz so hohe Niederlagen einstecken müssen. In Friedrichsgabe hatten wir das Hinspiel noch 1:23 verloren. Jetzt gab es nur ein 0:11. Fortschritte sind also erkennbar.

Und mit dem neuen Torwart wird dann alles besser. Oder nicht, Herr Seifert?

Sven Seifert: Vielleicht. Ich will auf jeden Fall nicht ganz so viele Dinger einfangen. Manche Leute haben mir aber auch schon geraten, daß Tor mit Brettern zu vernageln.

Warum gerade in dieser Phase der Saison einen neuen Torwart?

Laß: Andreas Kessler ist mit seinen 17 Lenzen sehr jung und muß noch viel lernen. Er hat eingesehen, daß seine Zeit noch kommen wird. Sven war dagegen schon im letzten Jahr unsere Nummer eins, konnte aber bislang nicht spielen.

Seifert: Ich mußte bei der Bundeswehr antreten.

Die Ursachen für den stetigen Mißerfolg sind aber doch nicht nur beim Schlußmann zu suchen?

Laß: Keinesfalls. Wir sind eine Mannschaft und verlieren auch zusammen. Die Burschen sind im Durchschnitt erst 19 Jahre alt. Den meisten Spielern fehlt ganz einfach die Erfahrung, um sich im Herrenbereich durchsetzen zu können. Viele spielen außerdem erst seit wenigen Jahren Fußball. Da kann man nichts erwarten.

Sie erwarten nichts?

Laß: Ganz im Gegenteil. Die Jungs müssen eine Menge Kritik einstecken. Unser Problem ist, daß wir immer wieder alles neu besprechen müssen, da jedesmal dieselben Fehler gemacht werden. Besonders in den ersten fünf Minuten bekommen wir Gegentore, weil viele zu nervös sind und oft nicht wissen, wo sie hinlaufen sollen.

Mal Hand aufs Herz. Was überwiegt – Ehrgeiz oder Frust?

Laß: Bei manchen Gegnern wissen wir schon vorher, daß wir verlieren. Dann gilt es, Schadensbegrenzung zu betreiben. Dennoch sind alle stets mit vollem Einsatz dabei. Gegen Moorrege lagen wir zur Pause 0:5 zurück. Ich habe sie entsprechend zusammengepfiffen, und wir haben die zweite Hälfte mit 1:0 gewonnen. Das war optimal.

Wie verhalten sich Zuschauer und Gegner?

Laß: Das ist unterschiedlich. Viele Mannschaften zählen schon vor dem Anpfiff die Tore, die sie schießen wollen. Oft bekommen wir Sprüche zu hören wie „Heute hauen wir euch die Kiste voll!“Andere Teams bewundern unseren Sportsgeist, da wir immer wieder mit vollständiger Elf antreten.

Noch weiter runter geht es nicht mehr. Der Klassenverbleib ist somit gesichert. Gibt es noch Ziele?

Laß: Wir wollen uns von Spiel zu Spiel verbessern und in den letzten acht Begegnungen einmal gewinnen. Egal wie, ein Sieg ist das große Ziel.

Was passiert, wenn Sie tatsächlich einmal gewinnen sollten?

Seifert: Dann wird es wohl eine kleine Feier geben.

Vielleicht schon nach der Partie gegen Hasloh?

Laß: Kaum. Die sind sehr stark. In der Hinrunde haben wir mit 13 oder 14 Toren verloren. Am Sonntag steht aber Sven erstmals im Tor.

Ein Hoffnungsträger?

Laß: Bestimmt. Die Jungs merken, daß sich was tut.

Fragen: Oliver Lück

Heidgraben II – Hasloh II, Sonntag, 15 Uhr, Sportplatz Heidgraben

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