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Trommeln für Verbraucher

Das erneute Exportverbot für britische Gelatine soll ein Signal sein, daß die EU-Kommission aus der BSE-Krise gelernt hat  ■ Aus Brüssel Alois Berger

Zum Auftakt wünschte sich der neue Generaldirektor einen kleinen Trommelwirbel, und das Orchester spielte mit: Bei seiner ersten Sitzung unter dem Dach der Verbraucherschutzabteilung beschloß der oberste wissenschaftliche Ausschuß der EU-Kommission, daß die Aufhebung des Exportverbots für britische Gelatine im letzten Jahr ein Fehler war. Er fordert deshalb die EU-Kommissare auf, Gelatineausfuhren aus Großbritannien wieder zu verbieten.

„Ich dachte, das sei ein guter Start“, meint Horst Reichenbach, der seit drei Tagen als Generaldirektor der EU für Verbraucherschutz für die Kontrolle der insgesamt acht wissenschaftlichen Ausschüsse zuständig ist. Einer davon befaßt sich mit der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von Lebensmitteln, ein anderer mit tiermedizinischen Fragen, ein weiterer mit den Gefahren von Pestiziden. Und über allem steht der interdisziplinäre Steuerungsausschuß, der die Aufgaben verteilt und bei besonders heiklen Fragen selbst entscheidet.

Die Bedeutung dieser Ausschüsse kann kaum überschätzt werden, denn an ihrem Rat kommt die EU-Kommission bei wichtigen Entscheidungen nicht vorbei. Deshalb war es der EU-Agrardirektion bisher auch so wichtig, daß die Ausschüsse in ihrer Abteilung angesiedelt waren. Sie ernannte die Wissenschaftler, führte die Protokolle und kümmerte sich offensichtlich auch darum, daß die wissenschaftlichen Empfehlungen in die politische Landschaft paßten. Diesen Schluß legt zumindest der BSE-Untersuchungsbericht der Europaparlaments nahe. So war es vielleicht auch kein Zufall, daß die Wissenschaftler ausgerechnet im letzten Juni die Lockerung des Exportverbots für britische Gelatine empfahlen, die auch aus BSE-verdächtigen Rinderknochen hergestellt wird. Die Regierung in London beendete daraufhin ihre Totalblockade von EU-Beschlüssen, gerade noch rechtzeitig vor dem EU-Gipfel in Florenz.

Das soll jetzt alles anders werden. Denn auf Druck des Europaparlaments hat EU-Kommissionspräsident Jacques Santer die wissenschaftlichen Ausschüsse der Verbraucherabteilung unterstellt. Nicht mehr die Interessen der Agrarpolitik, die Interessen der Verbraucher sollen künftig im Vordergrund stehen. Und damit das auch jeder sieht, hat sich der oberste wissenschaftliche Ausschuß gestern als erstes die Gelatine vorgenommen.

Der wissenschaftliche Stand von damals habe sich überholt, meinte der Ausschußvorsitzende Professor Fritz Kemper. Auch bei der vorgeschriebenen Erhitzung der Gelatine auf 133 Grad könnten einige BSE-Erreger überleben. Das Gutachten schottischer Experten, auf das sich die Entscheidung damals stützte, weist laut Kemper zudem noch ein paar andere Mängel auf. Die Verarbeitung von britischer Gelatine sei eine Gefahr für die Gesundheit und müsse sofort verboten werden.

Aufmerksamkeit dürfte der für Verbraucherschutz zuständigen EU-Kommissarin Emma Bonino sicher sein. Vier Wochen vor den Wahlen in Großbritannien wird die britische Regierung das neuerliche Verbot aus Brüssel nicht schweigend hinnehmen. Zwar wurde auch bisher keine Gelatine exportiert, weil nicht einmal die jetzt als unzureichend eingestuften Bedingungen erfüllt wurden. Doch die Major-Regierung steht im Wahlkampf, und da geht es ums Prinzip. Generaldirektor Reichenbach bestätigte vorgestern in Brüssel, daß London vor kurzem die Aufhebung des Exportverbots für Rindfleischprodukte beantragt hat, die aus BSE-freien Herden kommen. Der Antrag hat kaum eine Chance, ist aber ein Signal.

Die Tory-Regierung sucht einen Schauplatz, auf dem sie sich als Kämpferin gegen den Moloch in Brüssel profilieren kann. Das Gelatineverbot kommt da gerade recht. Aber es sieht so aus, als ob auch Emma Bonino ein schöner Streit mit London nicht ungelegen käme. In den wissenschaftlichen Ausschüssen, die sie von der Agrardirektion übernommen hat, sitzen noch viele Experten, die sich in der BSE-Krise nicht gerade als verbraucherorientiert gezeigt haben. Die Widerstände gegen einen völligen Neuanfang sind auch innerhalb der Kommission erheblich. Bonino braucht den öffentlichen Druck.

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