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Hauptsache reinkommen

■ Arbeitsamt installiert ein „Hochschulteam“für praxisnahe Berufsberatung während des Studiums

Über 50 Prozent der akademischen Arbeitsverhältnisse kommen heute nicht mehr auf traditionelle Weise zum Beispiel über Stellenausschreibung zustande. Wenn Studierte irgendwo unterkommen, dann zumeist nach einem früheren Praktikum oder einem befristeten Job. Wer schon einmal in einem Betrieb eine gute Figur gemacht hat, besitzt eindeutig die besseren Karten. Diese Entwicklung auf dem akademischen Arbeitsmarkt betrifft neben Studierenden und Jungakademikern auch das Arbeitsamt: Als akademisches Jobanbahnungsinstitut ist es immer weniger gefragt. Die Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg hat jetzt reagiert und in allen Arbeitsämtern, in deren Einzugsbereich über 20.000 Studenten wohnen, sogenannte „Hochschulteams“installiert. Das sind außerhalb der behördlichen Hierarchie operierende Berater, deren Aufgabe es ist, schon Studenten an ihr künftiges Berufsfeld heranzuführen. So sollen zum Beispiel schon mittlere Semester ihre möglichen späteren Arbeitgeber kontaktieren. In Bremen gibt es ein Hochschulteam seit dem 1. April; es besteht aus den Berufsberatern Johannes Mestemacher und Volker Schaper.

Wenn Mestemacher seine Arbeit beschreibt, ist sein Lieblingswort „ermutigen“. Er möchte Studenten ermutigen, schon ganz früh im Studium Praxiserfahrungen zu machen; er möchte ermutigen, lieber Germanistik und Kunst oder Kulturwissenschaften zu Ende zu studieren und sich nützliche Zusatzqualifikationen zu besorgen, anstatt mit Blick auf die beruflichen Chancen umzusatteln. Schon das Logo des Arbeitsamtes, das auf Mitteilungen für den Hochschulbereich prangt, ist geradezu ermutigend bunt. Jedenfalls möchte Mestemacher die Studenten vor der dummen Situation bewahren, nach dem Examen mit hängenden Schultern dazustehen und den desolaten Anzeigenteil der überregionalen Zeitungen studieren zu müssen.

Mittel der Wahl ist die bewährte Informationsveranstaltung „Wege in den Beruf“, vom Arbeitsamt in Zusammenarbeit mit der Zentralen Studienberatung und den Fachbereichen durchgeführt. Alle betroffenen Studenten, zum Beispiel alle mittleren Biologiesemester, werden angeschrieben und eingeladen. Biologen können unter den Referenten etwa Bodenbiologen, Mitarbeiter im Landschaftsschutz und sogar selbständige Biologen (fast 600 gibt es in Deutschland) kennenlernen – und womöglich Adressen austauschen. Geologiestudenten treffen Mitarbeiter der Bundesanstalt Geologie, Diplompädagogen erfahren alles über den Beruf des Medienarbeiters oder des Lernsystemanalytikers. Sucht man irgendwann nach einem Praktikumsplatz, hat man vielleicht schon eine Firma, einen Ansprechpartner und einen Bezug („unser Gespräch während der Bremer Infoveranstaltung“) zur Hand.

Zu den Obliegenheiten des Hochschulteams gehört daneben das erfolgreich gestartete Projekt „Magister Optimus“(ein Zusatzqualifikationsangebot für Magi-sterstudenten, zusammen mit der Uni Bremen) sowie das bewährte Bewerbungstraining. Übrigens wartet man heute nicht mehr, bis eine Stelle in der Zeitung steht, sondern schickt eine „Initiativbewerbung“– vielleicht wird irgendwann eine Stelle frei, vielleicht wird mal eine Schwangerschaftsvertretung gesucht. Hauptsache: reinkommen.

BuS

An „Wege in den Beruf“-Veranstaltungen plant das Hochschulteam im Sommersemester u.a. einen Infotag für Anfangssemester Elektrotechnik, für mittlere Semester Biologie und Chemie, Diplompädagogen, Sozialpädagogen, E-Techniker und Bauingenieure/Architekten (Hochschule Bremen).

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