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Eine zweite Welt im Kofferraum?

Umweltsenator bejubelt Klein-Projekte und Schwafel-Runden zur Agenda 21  ■ Von Heike Haarhoff

Der Verband der Textilreiniger verpflichtet sich, 50 Prozent weniger Wasser zu verbrauchen. Die evangelische Kirche mißt ab sofort die Energieströme in ihren Gotteshäusern. Die Hamburger Hochbahn durchfährt es, daß sich in der Bremsphase ja Energie sparen läßt. 70 Kindergärten zwangsverpflichten ihre Zöglinge zum Genuß schrumpeligen Öko-Obstes. Und die Hamburgische Turnerschaft entwickelt ein Konzept zur „Lichtoptimierung in Turnhallen“.

All diese Projekte treibt ein lokaler Umweltgeist um, der Agenda 21 heißt, und den der Senat uns HanseatInnen am 16. Januar 1996 erstmals erscheinen ließ. Damals trat Hamburg als eine von europaweit 275 Städten feierlich der „Aalborg-Charta“bei. Es galt, das 1992 beim Klimagipfel in Rio de Janeiro gegebene Versprechen einzulösen, kommunale Umweltschutz-Handlungskonzepte zu erstellen.

Auf daß „dem Planeten eine Überlebenschance“gegeben werde, sprach gestern das wandelnde Umwelt(senatoren)gewissen Fritz Vahrenholt (SPD) und legte einen ersten Zwischenbericht vor. Der Wälzer dokumentiert die drei Öko-Schwafel-Runden, zu denen die Umweltbehörde im Vorjahr „die Öffentlichkeit“geladen hatte, sowie die umweltschützerischen Aktivitäten von 102 Hamburger Initiativen, Kammern, Firmen und Projekten, die daraus hervorgegangen sind.

Sie alle verpflichten sich, das Licht öfter mal auszuschalten, mehr mit der Bahn zu fahren, die gepflasterten Schulhöfe ihrer Kinder unbezahlt und in der Freizeit aufzureißen oder ihre ersparten Kröten in den Klimaschutzfonds einzuzahlen.

Immerhin gehen ein Fünftel der Klein- und Kleinstprojekte auf Initiativen von Firmen und Industriebetrieben zurück, die weiterhin mit Dumping-Strompreisen gehätschelt werden. Der Flugzeugher-steller Dasa beispielsweise beabsichtigt, „bessere Anreize zur ÖPNV-Benutzung“zu bieten und ergattert damit eine Erwähnung in dem Bericht. Mehr und günstigere Jobtickets fordert auch der Senat für Behörden-MitarbeiterInnen. Zahlen wird er dafür freilich keinen Pfennig. Tarifvertraglich will er vielmehr festlegen, einen Teil des Gehalts künftig als Ticket-Zuschuß auszuzahlen.

„Ein Trauerspiel“, grämt sich GALier Alexander Porschke. Denn die vierte Elbtunnelröhre, der Hafenausbau in Altenwerder und die Erweiterung des Flughafens werden selbstverständlich nicht in Frage gestellt. Zeitgleich zu Vahrenholts Jubelbericht senkte die Wirtschaftsbehörde gestern die Hafengebühren für Öltanker um bis zu einem Viertel. „Als ob wir eine zweite Welt im Kofferraum hätten“, so Porschke. Unzufrieden darüber, daß „von der Gesellschaft alles gefordert wird, es aber keine Zusammenführung mit staatlichen Bereichen gibt“, ist auch Jochen Menzel vom Zukunftsrat.

Der Bericht liegt in Bezirksämtern aus. Hoffentlich auf chlorfrei gebleichtem Papier.

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