: Es war einmal im Land des Rocks
■ Die Britpopformation Blur begibt sich als Slacker auf die Suche nach neuen Fans
Was für ein Akkord? Einsam, unbeirrbar, klar. Britpop? Wer weiß. Ich will jedenfalls Rock sein, ruft dieser Akkord, der erste der neuen namenlosen CD von Blur, jedem entgegen. Und immer wieder kehrt derselbe einfache B-Dur-Akkord zurück, um dies auf dem Eröffnungsstück „Beetle-bum“zu behaupten. Mit den Verzerrungen auf „Song 2“, einem dahingekloppten Punkstück, wird dieser Angriff auf die Harmonien noch heftiger. Wo sind wir denn? Mit einer schnodderigen Geste liefert die neben Oasis und Pulp wichtigste Britpopformation, wie es das verschwommene CD-Cover andeutet, sich selbst als Patienten in die Notaufnahme ein. Dazu steuert der Chefideologe und Sänger Damon Albarn noch die passenden Phrasen wie „Britpop ist tot“und eine putzige Selbstdefinition als „English Slacker“bei.
Jetzt, nach dem Britpopklassiker Parklife und The Great Escape, versuchen Blur ziemlich penetrant den Schulterschluß mit dem Land der Rockisten. „Look Inside America“heißt eines ihrer Stücke oder „Country Sad Ballad Man“, das mit Countryversatzstücken spielt. Während zuvor noch chauvinistische „Buy-British“-Aufkleber die Blur-CDs zierten, ringt Albarn nun um die Anerkennung der US-Indierockszene, an deren Doyens, Steve Malkmus von Pavement und Thurston Moore von Sonic Youth, er sich bei jeder Gelegenheit ranschmeißt. Diese Verwandlung ist auch ein Eingeständnis einer Niederlage. Denn Blur wollen Popstars mit allem Drum und Dran sein, verkauften aber zuletzt immer weniger Einheiten und verloren, zwar mit immerhin noch einer Million Platten, die Auseinandersetzung mit Oasis an allen Werbefronten.
Es ist also kein Wunder, daß sie das Standbein wechseln und in den USA nach neuem Publikum fischen. Die 14 Kurzgeschichten, die Damon Albarn in wechselnder Tonlage erzählt, sind nun deutlich weniger britisch als zuletzt. „Vielleicht“, scherzt Albarn, „verstehen uns ja jetzt auch die Amerikaner, wenn wir jetzt nicht mehr über Pendlersorgen singen. Das haben sie, fürchte ich, nie ganz kapiert.“Doch mit seiner Öffnung für andere Themen, auch für allerlei Liebeswirren, hat Albarn viel von jenem bissigen Zynismus verloren, der The Great Escape noch zum scharfsinnigen Gesellschaftskommentar machte. Nur bei „Essex Dogs“weiß der Mann aus Colchester in Essex, von was er redet. Und prompt kommt ihm die Galle hoch. Volker Marquardt
Mit Be: Do, 10. April, 21 Uhr, Große Freiheit
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen