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Unter Zuschauern

■ Frau wurde in S-Bahn vergewaltigt, obwohl andere Fahrgäste im Abteil waren

Sie schrie und wehrte sich, und alle schauten weg: Eine junge Frau ist Anfang März in einem Hamburger S-Bahn-Waggon vergewaltigt worden – in Anwesenheit anderer Fahrgäste. Zu dem Übergriff kam es im 1.-Klasse-Abteil der S 21 vom Hauptbahnhof nach Bergedorf. Das hat die Polizei erst gestern bekanntgegeben.

Am Nachmittag des 6. März fuhr die 17jährige nach Bergedorf. Obwohl sie sich, so ihre Aussage auf dem Revier, lautstark gegen den Vergewaltiger wehrte, um sich schlug und trat, griffen die übrigen Fahrgäste nicht ein. „Womöglich haben sie die Geräusche fehlinterpretiert und geglaubt, es handele sich um ein streitendes Pärchen“, sagte Polizeisprecher Wolfgang Ketels gestern.

Vermutlich derselbe Täter hatte nur einen Tag vor dieser Vergewaltigung zwei andere junge Frauen auf derselben Bahnstrecke belästigt. Er habe sie betatscht und aus dem Zug heraus verfolgt bis vor die Polizeiwache, zu der die Frauen flüchteten, so gabe die beiden 17jährigen zu Protokoll. Trotz dieser Anzeigen gab die Polizei die Taten erst einen Monat später bekannt. Man habe erst die eigenen Ermittlungen abschließen wollen, sagte ein Sprecher gestern gegenüber der taz.

Wenn auch Vergewaltigungen in öffentlichen Räumen viel seltener sind als Vergewaltigungen im Privatbereich: Wird es brenzlig, hat schlechte Karten, wer sich auf andere Fahrgäste oder die Sicherheitsvorkehrungen der Bahn verläßt. In den alten S- und U-Bahn-Zügen nämlich gibt es keine Möglichkeit, aus dem Abteil heraus Kontakt mit dem Zugführer aufzunehmen. In der U-Bahn ist das nur bei neueren Waggons möglich, die S-Bahn setzt ab Juni solche Züge ein.

Zur Zeit kann in kritischen Situationen allein die Notbremse gezogen werden. Steckt der Zug gerade im Tunnel, fährt er im Schrittempo zur nächsten Station. Auf freier Strecke hält er sofort an. Parallel informiert der Fahrer die sogenannte Streckenzentrale oder direkt über Funk die Polizei. Eigentlich hat die U-Bahn für solche Fälle 70, die S-Bahn 120 private Sicherheitskräfte angestellt. Da die jedoch über das gesamte Streckennetz verteilt sind, ist es eher dem Zufall überlassen, ob sie rechtzeitig vor Ort sein können. Elke Spanner

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