: Lernmittelfrei in die Bildungskrise
■ Studie: Bremen gibt am wenigsten Geld für Schulbücher aus
Ein Aufjaulen ging durch die Stadt, als Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) kürzlich im Senat die Abschaffung der Lernmittelfreiheit für Bremens 71.000 SchülerInnen durchsetzen wollte. Immerhin genießen vom Staat gestellte Schulbücher, Atlanten und Bleistifte hierzulande sogar den ausdrücklichen Schutz der Landesverfassung. Doch was als Garantie für Chancengleichheit im Bil-dungswesen und fachgerechte Ausstattung der Schulen gedacht war, führt in Zeiten knappen Geldes geradewegs in die Bildungs-Krise. SchülerInnen lernen aus alten Schwarten, die den Wissensstand von vor 15 Jahren enthalten.
Nach einer Studie des Instituts für Bildungsmedien gibt Bremen von allen Bundesländern mit weitem Abstand am wenigsten Geld für Schulbücher aus: 22 Mark pro SchülerIn und Jahr. In Baden-Würtemberg sind es 80 Mark, in Hamburg 36 und in Niedersachsen 50 Mark. In Bremen sei die „Schulbuchversorgung im Grunde kollabiert“, schreiben die Gutachter des Instituts, das von den Schulbuchverlagen getragen wird.
Wieviel genau die Schulen für neue Fachbücher, nach wie vor das wichtigste Medium für den Unterricht, ausgeben, kann die Bildungsbehörde nicht sagen. Die Frankfurter mußten darum ihre Zahlen über Verlage und Buchhandlungen ermitteln. Den Schulen wird ein Pauschalbetrag, (insgesamt für Bremen 8,57 Mio. Mark) zugewiesen, den sie für Kopierkosten, Bücher oder auch für andere Lernmittel ausgeben können. Denn in Bremen fallen im Gegensatz zu anderen Bundesländern auch Zirkel, Schulhefte oder Taschenrechner unter die Lernmittelfreiheit. Die Behörde geht davon aus, daß die Schulen ein Drittel bis die Hälfte für neue Bücher ausgeben, die dann an die SchülerInnen ausgeliehen werden. Die Schulen seien verantwortlich, wenn Atlanten noch die DDR zeigten, heißt es aus der Behörde.
Obwohl verfassungswidrig, wird vielen Eltern schon heute die Pistole auf die Brust gesetzt: Sie müssen halt die neue Fibel selber kaufen. Kritiker sehen so das Ziel der Lernmittelfreiheit vollkommen verdreht. Denn Sozialhilfeempfänger könnten dieses Geld nirgendwo einfordern, während Normalverdiener und Wohlhabende die 28 Mark 50 leicht aufbrächten.
Die Frankfurter Bildungsforscher schlagen ein Bonussystem vor, in dem Staat und Eltern Fachbücher gemeinsam anschaffen und den Schülern übereignen. Arme oder Kinderreiche bekommen Zuschüsse. Allerdings müßte Bremen auch bei der Umstellung auf ein solches System die Ausgaben für Schulbücher um 17 Prozent anheben, während andere Länder wegen geringerer Verwaltungskosten Einsparungen von mehr als 60 Prozent schaffen könnten. jof
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