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Für Kabila ist Kinshasa noch weit

■ Bevor sie die Hauptstadt erreichen, müssen Zaires AFDL-Rebellen noch erhebliche logistische Probleme lösen

Ottawa (taz) – Für die zairischen AFDL-Rebellen steht der wahre Test erst noch bevor. Ihr rasches Vordringen durch die Osthälfte Zaires zeigte, daß das Land nicht mehr als territoriale Einheit funktioniert. Ostzaire hat aufgrund seiner Bodenschätze und ausländischen Investitionen eine funktionierende Ökonomie und eine Infrastruktur. Aber aufgrund des Verfalls des gesamtzairischen Verkehrsnetzes nutzen die Bergbaufirmen des Ostens und Südens schon längst lieber die Eisenbahnnetze Sambias und Tansanias, um den Weltmarkt zu erreichen, und wenden dem Rest Zaires den Rücken zu. Als die AFDL im Herbst 1996 ihren Aufstand begann, war Zaire also praktisch zweigeteilt, und das erklärt, warum die Truppen von Laurent-Désiré Kabila auf keine nennenswerten Probleme stießen. Das Regime in Kinshasa war einfach nicht in der Lage, am anderen Ende des Landes militärische Macht zu demonstrieren.

Aber der Einmarsch in Kinshasa, den Kabilas AFDL jetzt anstrebt, stellt die Rebellen auf die Probe. Ein Teil von Kabilas Truppen befindet sich derzeit im Norden Zaires mit dem Ausgangspunkt Kisangani am Kongo-Fluß; ein anderer ist im Südwesten um die Diamantenregion Kasai mit den Städten Mbuji-Mayi und Kananga aktiv. Diese beiden Teile müssen aufeinandertreffen, bevor sie gemeinsam Richtung Kinshasa starten können. Der logische Treffpunkt ist der Verkehrsknotenpunkt Kikwit – jene Stadt etwa 500 Kilometer östlich der zairischen Hauptstadt, die vor einiger Zeit durch die Ebola-Epidemie Weltberühmtheit erlangte.

Wie kommt die AFDL nach Kikwit? Im reichen Ostzaire konnte sie vor Ort Lastwagen und Benzin requirieren. Aber im Westen, auf dem Weg nach Kikwit, überquert sie den ärmsten Teil eines der ärmsten Länder Afrikas. Sie muß ihren gesamten Nachschub – militärisch und zivil – von Anfang an dabeihaben. In dieser Gegend gibt es nicht einmal Flüchtlingslager, die in Ostzaire eine wesentliche Nahrungsmittelquelle darstellten. Die Straßen nach Kikwit sind lang und schlecht, und die Lastwagen der Rebellen werden mit jeder Etappe ihres Feldzugs reparaturbedürftiger. Der Vormarsch der AFDL Richtung Kikwit kann mit einer Bergbesteigung verglichen werden, bei der die nötige Logistikbasis sich auf dem Berggipfel befindet.

Zaires Präsident Mobutu ist seinerseits völlig in seinen eigenen Gedankenmustern verstrickt. Er erfindet seine eigene Wirklichkeit und hat einen Premierminister in Generalsuniform, der offenbar tatsächlich denkt, Zaire ist zu groß, als daß eine feindliche Armee einfach so von einem Ende des Landes zum anderen marschieren kann. In den Augen dieser Herren, deren Gebaren surrealistische Züge trägt, ist das chaotische Kinshasa eine feste Burg. Mobutu wird nicht einfach seine Koffer packen und gehen. Aber er kann auch nicht ernsthaft glauben, daß Kabila militärisch zu schlagen ist. Er hofft auf die Abnutzung der AFDL. Gerade weil der innere Zirkel der Macht in Kinshasa so denkt, ist mit einem Wechsel in der Taktik der Rebellen zu rechnen.

Kabilas Generalstab muß jetzt darauf bauen, daß Offiziere innerhalb der Regierungsarmee als „Fünfte Kolonne“ agieren. AFDL-Kader sind mit Sicherheit bereits dabei, in Kinshasa Kontakte unter Offizieren und Soldaten aufzubauen. Wenn sie die Zuversicht erlangen, daß ein ausreichend großer Teil der Armee überlaufen könnte, würde dies den raschen Vorstoß auf Kikwit und damit Richtung Kinshasa ermöglichen. Da die Regierungsarmee sich während des ganzen Krieges rein defensiv verhalten hat und nie bereit war, größere Kontingente von ihrer Leibwächtertätigkeit in Kinshasa und Gbadolite (Mobutus Geburtsort) abzuziehen, wird Kikwit schnell fallen. Erst an diesem Punkt wird im Mobutu-Lager Panik ausbrechen. Pierre Bigras

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