: Grüne fordern Folgen aus Mykonos-Prozeß
■ Bundestag debattiert über Iranpolitik. Grüne attackieren Kinkel, fordern aber keinen Rücktritt. „Stern“ berichtet über deutsche Rüstungslieferungen an Teheran
Bonn/Berlin (taz) – Das Urteil im Mykonos-Prozeß wird ein parlamentarisches Nachspiel haben. Nachdem das Berliner Kammergericht in der vergangenen Woche den Religiösen Führer Irans, Ali Chamenei, und Staatspräsident Ali Akbar Haschemi Rafsandschani als Auftraggeber der Ermordung von vier oppositionellen iranischen Kurden benannt hatte, fordern jetzt die Bündnisgrünen politische Konsequenzen. Die iranisch-deutschen Beziehungen sind morgen Thema im Deutschen Bundestag. In einem Antrag der bündnisgrünen Bundestagsfraktion wird die Bundesregierung aufgefordert, „die diplomatischen Beziehungen mit dem Iran auf ein Minimum einzufrieren“ und „alles zu unterlassen, womit das derzeitige Regime des Iran wirtschaftlich und politisch unterstützt wird“.
Ähnliche Forderungen hat gestern der ehemalige iranische Staatspräsident Abol Hassan Bani Sadr in Bonn erhoben. Der Exilpolitiker warf der Bundesregierung und den USA geheime Beziehungen zum Regime in Teheran vor. Die Bundesregierung habe „hundertprozentig“ von Waffengeschäften und Aktivitäten des iranischen Geheimdienstes in Deutschland gewußt. Bani Sadr erklärte die Politik des „kritischen Dialogs“ mit Iran für gescheitert. So sehen das auch die Grünen. Der deutsche Außenminister habe sein „Gesicht verloren“, erklärte gestern ihr parlamentarischer Geschäftsführer Werner Schulz: „Wenn Herr Kinkel ein Gefühl dafür hat, was nötig ist, dann wird er sein Amt jetzt niederlegen.“ Ausdrücklich verlangt wird der Rücktritt im Antrag der Fraktion allerdings nicht. Eine solche Forderung sei nur sinnvoll, wenn sich die gesamte Opposition „mit voller Wucht“ dahinterstelle, meinte Schulz.
Der SPD-Abgeordnete Karsten Voigt hat sich mittlerweile gegen einen Abbruch der Wirtschaftsbeziehungen zum Iran ausgesprochen. Geschäftsleute dürften nicht für Verbrechen der Staatsführung haftbar gemacht werden, sagte Voigt in einem Hörfunkinterview mit Blick auf einen für nächste Woche geplanten Bonn-Besuch einer iranischen Handelsdelegation. Die sagte gestern jedoch ihre Reise ab.
Unterdessen berichtet der Stern, rund 120 deutsche Unternehmen würden der Teheraner Führung „sowohl bei der Aufrüstung wie auch beim Aufbau von High-Tech-Anlagen“ helfen. Die Iraner kauften in Deutschland vor allem sogenannte Dual-Use-Güter, heißt es in einer Vorabmeldung. Dazu gehörten „Fräsen, Blechwalzmaschinen, Pressen, die für die Herstellung von Geschützen oder Raketenmäntel geeignet sind“. Teherans Einkäufer suchten „auch nach elektronischen Prozeßsteuerungsanlagen, die für den Betrieb von Giftgasanlagen erforderlich sind“. Laut Stern wird in der Teheraner Vorstadt Karadsch Kampfgas hergestellt.
Die Hamburger Illustrierte beruft sich auf ein Geheimdokument aus dem Bonner Wirtschaftsministerium und auf das Zollkriminalamt (ZKA) in Köln – dort sei gar eine „Sonderkommission Iran“ eingerichtet worden. Im ZKA zeigte man sich gestern überrascht. Die „SoKo-Iran“ heiße in Wirklichkeit „SoKo-DIO“, und die sei bereits Ende vergangenen Jahres gegründet worden, hieß es auf Anfrage. Hintergrund sei eine Durchsuchung der Düsseldorfer Filiale der iranischen Defence Industries Organisation (DIO), bei der im vergangenen Jahr zahlreiche Akten beschlagnahmt wurden – die würden von der SoKo gesichtet. Von Ermittlungen gegen 120 Unternehmen könne keine Rede sein.
Laut Stern steht auch ein kürzlich fehlgeschlagener Anwerbeversuch der CIA bei einem Beamten des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWi) mit dem Iran in Zusammenhang. Das BMWi hatte den Fall als Übereifrigkeit eines US-Agenten abgetan. Die Informationen aus der entsprechenden Abteilung des Ministeriums seien frei zugänglich. Laut Stern sei jedoch just in dem Bereich jenes Geheimdokument gefunden worden, aus dem das Blatt nun zitiert. bg/taud
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