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Schöne neue Eurowelt

Deutsche und französische Banker sprechen Klartext: Wenn der Euro kommt, werden die Gewerkschaften nichts mehr zu melden haben  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Was tun, wenn der Euro kommt? Am Mittwoch, 500 Arbeitstage vor dessen mutmaßlicher Einführung, konferierten darüber die größte französische und die zweitgrößte deutsche Geschäftsbank in Paris mit ein paar Dutzend Unternehmern. Die Botschaft von Banque Nationale de Paris (BNP) und Dresdner Bank war eindeutig: Machen Sie Sich keine Sorgen; der Gewinn wird die Kosten bei weitem übertreffen.

Vor allem im Lohnbereich gaben sie Entwarnung und stellten beruhigende Prognosen für ihr Publikum auf. Danach wird es in der neuen Eurowelt keine nationalen Sektorlohnverhandlungen mehr geben – und die Gewerkschaften haben ausgedient.

Auf rund 200 Millionen Mark schätzt die Dresdner Bank die Umstellungskosten auf den Euro allein für ihr Geldinstitut. Die BNP kalkuliert, daß die gesamte französische Bankwirtschaft 20 Milliarden Francs (sechs Milliarden Mark) dafür ausgeben muß. Zudem werden die Banken wichtige Einnahmequellen verlieren, darunter das Tauschgeschäft und die üppigen Gebühren für Überweisungen in andere Währungsgebiete.

Doch der Aufwand wird sich lohnen. BNP-Vizepräsident Daniel Lebegue rechnete vor, daß die geballte Kraft von Binnenmarkt, Euro und Stabilitätspolitik verhindern werde, daß die Regierungen weitere „Exzesse in der Haushaltspolitik“ betrieben. Auch neue Inflationsschübe seien nicht zu befürchten, erläuterte Dresdner- Bank-Vorstandsmitglied Ernst- Moritz Lipp – nicht etwa wegen der erfolgreichen Arbeit der Zentralbanken, sondern weil die Konkurrenz aus dem Osten die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften längst geschwächt habe.

Als der Deutsche auch noch ankündigte: „Die Gewerkschaften werden verschwinden“, griff sein französischer Kollege mit Hinweis auf die anwesenden Journalisten ein: „Die Gewerkschaften werden nicht verschwinden, sie werden ihre Rolle bei Lohnverhandlungen verlieren.“

Die Entmachtung der Gewerkschaften erklärte Lipp folgendermaßen: Der Euro werde das „Umfeld für Gewerkschaften grundsätzlich verändern“. Nationale Branchenlohnverhandlungen würden in der Eurozone „sinnlos“. Angesichts der regionalen Lohnunterschiede würden sie „Massenmigrationen“ in die Hochlohngebiete auslösen und auf den Protest der Niedriglohngebiete stoßen. Zu europaweiten Lohnverhandlungen aber würden weder die Gewerkschaften noch die Arbeitgeber in der Lage sein. Ergo werde es in der Eurowelt dezentrale Einzellohnverhandlungen in jedem Unternehmen und deutlich größere Lohnunterschiede als heute geben. „Die Briten leben doch auch gut mit dieser Situation“, ergänzte Lipp.

Was aber werden die Banken tun, wenn 1999 der Euro gar nicht eingeführt wird? Diese Möglichkeit halten die deutschen und französischen Banker, die ihre bereits Jahrzehnte alte Zusammenarbeit im vergangenen November mit einem Allianz-Vertrag besiegelten, für ganz unwahrscheinlich. In ihrem Szenario für die schöne neue Eurowelt ist sie nicht vorgesehen.

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