■ Kneipensterben in Berlin
: Billiges Bier nur noch in Besetzerkneipen

Horst Behrends, 51 Jahre, freier Lebenskünstler

Ich hab selber mal ein Musikcafé betrieben. Wenn im Moment immer mehr Kneipen eingehen, denn is det nich saisonbedingt. Das liegt an den ausländischen Gastronomen. Die versuchen hier ihr Schnäppchen zu machen, indem se Brauereikredite abgreifen, dann haben se 'ne gute Kneipe und 'ne gute Kasse, und durch die Konjunktur wird ihnen dann der Teppich unterm Arsch weggezogen.

Julia Mahlke, 22 Jahre, Schülerin

Heute noch eine Kneipe aufmachen – da muß man sich schon was Besonderes überlegen. 08/15 Cafés, davon gibt's einfach zu viele. Ich geh' oft in Besetzerkneipen, weil da das Bier einfach am billigsten ist. Ansonsten mag ich das „Wiener Blut“. Seitdem man da nicht mehr anschreiben kann, läuft auch die Finanzierung besser. Schade, daß das vorbei ist. Das sollte es öfter geben.

Karsten Schönfeld, 32 Jahre, Rechtsanwalt

Kneipen, die gut laufen, bringen in den meisten Fällen auch ihre eigene Philosophie mit. Genau das fehlt in vielen Bereichen: so was wie ein Geist, der den Laden zu mehr macht als zu einem bloßen Servierbetrieb. Leute, die heute noch eine Kneipe aufmachen, haben einfach kein ausgefuchstes Konzept mehr und gehen zu blauäugig an die Sache ran. Und das geht dann oft daneben.

Cordula Scholz, 30 Jahre, Studentin

Restaurants mit einer hochwertigen Küche können bei der Konkurrenz der Dönerbuden wirklich nicht bestehen. Eine Kneipe interessiert mich dann, wenn sie was Besonderes hat. Das fängt schon bei der Dekoration an. Orangegetünchte Wände kann ich einfach nicht mehr sehen. Es gibt keinen Grund, da den Kaffee zu trinken, weil der Kaffee im Prinzip überall gleich schmeckt.

Fritz Schröder, 63 Jahre, Installateur

Repression, haben wir ja alles schon mal gehabt, wa. Die Leute haben immer weniger Geld. Die gehen denn in die Kneipe und saufen sich zu. Die Preise sind auch beschissen. Bier kostet schon 3,50, aber bei 1.800 Mark Rente, für wen soll ich da sparen? Zu Hause ist es auch langweilig. Wenn die Kneipe hier dichtmachen sollte, geh' ich woanders hin, wo's gemütlich und nett ist.

Tina Knaak, 31 Jahre, Tresenfrau

In die Kneipe kommen immer weniger Leute. Der Laden hier lebt zu 80 Prozent vom Stammpublikum. Das ist hier auch nicht in dem Sinn 'ne Kneipe, sondern eher ein Wohnzimmer. Die Leute kommen quasi mit Hausschuhen hier rein. Wenn man abends herkommt, weiß man, wer schon garantiert auf den Stammplätzen sitzt. Und was die Preise in Kneipen angeht, die waren immer schon viel zu teuer.

Umfrage: Isabel Richter

Fotos: Rolf Schulten