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■ Belgien: Die Dutroux-Affäre und die PolizeireformRückkehr zur belgischen Normalität

Der Streit um die Konsequenzen aus der Affäre um den Kinderschänder Dutroux eröffnet einen tiefen Einblick in das demokratische System des Landes. Der Untersuchungsausschuß fordert ein Ende der zersplitterten Polizeidienste, doch die Parteien aus Wallonien, der französischsprachigen Südhälfte Belgiens, sträuben sich dagegen. Vor allem die wallonischen Sozialisten fürchten um ihren Einfluß. Für die meisten Belgier sind die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses nicht neu: Die unzähligen lokalen Polizeistellen, die den Gemeinden unterstehen, die 24 Brigaden der Gendarmerie, ursprünglich eine Armee des Innenministers zur Aufruhrbekämpfung, und die 27 Kriminalpolizeidienste der 27 Provinzgerichte, sie alle arbeiten eifersüchtig nebeneinander und nicht selten gegeneinander.

Das hat auch politische Gründe: Die Gendarmerie, die sich im Fall Dutroux besonders eigensinnig zeigte und – für mindestens vier Kinder tödlich – Informationen zurückhielt, steht unter dem Einfluß der Sozialisten. Die Kriminalpolizei ist eine Domäne der Rechtsliberalen. Der Mehrheit der Bevölkerung war das lange Zeit egal, vielen sogar ganz recht. Die Ineffizienz der Polizei schafft Freiräume, und manche Anzeige, wenn sie nicht ohnehin im Kompetenzgerangel verschütt ging, ließ sich in einem persönlichen Gespräch mit dem Bürgermeister oder einem höheren Politiker wegreden. Daß die Parteien ihren Einfluß auch in eigener Sache nutzten, vor allem bei der Verschleppung von Parteispendenaffären, wurde als Preis für die Bürgernähe akzeptiert.

Der Tod der entführten und mißbrauchten Kinder hat plötzlich die unmenschliche Seite einer großflächig in Mauscheleien verstrickten Polizei offengelegt. Die Zusammenlegung der Ordnungskräfte unter einer bundesweiten Struktur, wie sie der Dutroux-Ausschuß fordert, wäre der Anfang einer unabhängigeren Polizei. Die Provinzfürsten würden ihren Einfluß verlieren.

Doch gerade das wollen einige Parteien ganz und gar nicht. Während die traditionell moderneren flämischen Politiker die Zusammenlegung unterstützen, versuchen wallonische Parteien die Reform zu verwässern. Vor allem die in zahlreiche Skandale verwickelten wallonischen Sozialisten haben allen Grund, effiziente und unabhängige Ermittler zu fürchten. Wenn sie sich durchsetzen, wird bald wieder belgische Normalität herrschen. Alois Berger

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