: Richtungsstreit in der rechten Szene
Die beiden Neonazis, die in Berlin getötet wurden, gehörten einer „Unabhängigen Kameradschaft“ an. Über die Organisationsform nach den Parteienverboten wird heftig gestritten ■ Aus Berlin Barbara Junge
Sie kamen aus derselben Szene: Sowohl die beiden mutmaßlichen Täter als auch die beiden Opfer der tödlichen Auseinandersetzung in Berlin gehören sogenannten „Unabhängigen Kameradschaften“ an. Neben den straff organisierten „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) sind die Kameradschaften ein Auffangbecken gerade für militante Neonazis geworden. „Überwiegend ehemalige Funktionäre der verbotenen ,Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei‘ (FAP)“, heißt es in einem Überblick über rechtsextremistische Bestrebungen des Berliner Verfassungsschutzes, orientierten sich an dem Modell „Organisation durch Desorganisation“. „An der neonazistischen Ausrichtung der Kameradschaften besteht kein Zweifel“, so der Bericht.
In der Szene tobt ein Richtungsstreit. Zwar ist es der Jugendorganisation der NPD, der JN, vor wenigen Wochen gelungen, zur Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellungen an die 5.000 alte und vor allem junge Rechte nach München zu mobilisieren. Aber nach den Parteiverboten Anfang der 90er kämpfen verschiedene Strömungen um den wahren nationalen Weg und um die Führung der nationalen Bewegung: Orientierung an einem „nationalrevolutionären“ Konzept, das eine strömungsübergreifende Sammlungsbewegung an der sogenannten „sozialen Frage“ favorisiert, oder stramme Organisierung entlang nationalsozialistischer Ideologie mit Kaderprinzip.
Auch innerhalb des Kameradschaftsspektrums setzt sich der Streit um die Führung fort. Die Kameradschaften Wittenberg, zu der die Opfer gehören, als auch die Kameradschaft Treptow, die Gruppierung der Täter, stehen für die nationalsozialistische Orientierung. Mehr noch, gemeinsam mit einer weiteren rechtsextremen Berliner Gruppe, den „Nationalen“, soll die Kameradschaft Treptow die Führung der Wittenberger Rechtsextremisten übernommen haben. In einer Antwort der Landesregierung Sachsen-Anhalt auf eine Anfrage der PDS heißt es: „Die Kameradschaft Elbe-Ost wird vom Verein ,Die Nationalen‘ e.V. und dessen Nachwuchsorganisation ,Junges Nationales Spektrum‘ (JNS) organisatorisch, finanziell und logistisch unterstützt.“ Die Kameradschaft Elbe-Ost ist inzwischen in „Kameradschaft Wittenberg“ umbenannt.
In Wittenberg, so die Landesregierung, sind deutlich stärkere rechtsextremistische Aktivitäten zu verzeichnen. Sowohl bei einem Überfall auf linke Jugendliche am 4.April 1996 als auch an einem Angriff auf einen dunkelhäutigen Deutschen am 23.Januar diesen Jahres zählt die Landesregierung die Tatverdächtigen zu der Kameradschaft Wittenberg. Einer der Getöteten, so ein Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden, war der derzeitige Vorsitzende der Kameradschaft Wittenberg. Unter seiner Führung hat sich die Gruppierung zu einer einflußreichen Adresse unter militanten Neonazis entwickelt und den Führungsanspruch aus Berlin in Frage gestellt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen