: Gesotten und als Liebesmahl
■ Die „verderbliche Landplage“, der gemeine Maikäfer, als Delikatesse betrachtet: Wohlschmeckend und mineralstoffreich
Hühner werden mit ihnen „ohne Nachteil satt gefüttert“. Studenten essen sie „nach abgerissenen Füssen roh“. Die Alten verspeisten sie als Aphrodisiakum und versprachen sich neue Lendenkraft. Sie wurden auch in Honig eingemacht oder überzuckert vernascht. Doch die beste Art der Zubereitung ist ohne Zweifel die Suppe. „Man sollte nicht glauben, daß der gemeine Maikäfer, welcher eine verderbliche Landplage ist und alles verheert, eine so gute Suppe liefern könnte, wie solche wirklich von ihm gewonnen wird“, schwärmt im Jahre 1844 der Geheime Medizinalrat Dr. Schneider.
Wohlan denn, ihr melolonthageplagten Markgräfler und Kaiserstühler, richtet den Suppentopf, schürt das Feuer, deckt den Tisch. Vorurteile und Unbehagen müssen – gerade in einer Region von kulinarischen Ruf – überwunden werden, zumal die Schildkröte, „aus welcher die theuren Kraftsuppen bereitet werden“, nicht nur nach Schneiders Meinung viel ekelhafter aussieht.
Zunächst müssen die Käfer gesammelt werden, was im Morgengrauen zu geschehen hat. Eichen sind zu meiden. Eichenlaubfressende Käfer schmecken leicht adstringierend und mindern den Genuß.
Man rechnet 30 Käfer auf jeden Esser. Die Käfer werden in ein Sieb gelegt, das man mehrere Male durch einen Kessel mit kochendem Wasser zieht. Auf diese Weise werden die Krabbler „getötet und vom Staube gesäubert“. Nun läßt man sie abtrocknen, entfernt die Flügeldecken, brät „die Käfer in heißer Butter härtlich an, zerstößt sie in einem Mörser zu Brei, setzt diesen mit kräftiger Fleischbrühe aufs Feuer und würzt nach Belieben“. Wenn der Brei nach einigen Minuten gar ist, treibt man ihn durch ein feines Sieb in die Brühe und läßt noch mal kurz aufkochen. Da die Maikäfersuppe im Geschmack der Krebssuppe ähnelt, könnte man zur Verfeinerung noch einen Schuß Sahne oder Noilly Prat unterziehen. Nun wird Weißbrot geröstet und die Suppe darüber angerichtet. Furchtlose Esser drapieren die zarten Flügeldeckchen als Dekoration am Tellerrand. Maikäfer sind mineralstoffreich, enthalten zu 64 Teilen Wasser, zu 16 Teilen Eiweiß, zu 4 Teilen Fett. Sie sind „namentlich für sehr entkräftete Kranke ein feines und vortreffliches Nahrungsmittel“. Ist das Vorurteil besiegt, wird der Maikäfer auch „für Hospitäler und Kasernen herrliche Dienste thun“. Gut zubereitet, ist die Suppe „schmackhafter und besser als eine Krebssuppe, ihr Geruch ist angenehm, ihre Farbe ist bräunlich“.
Will man Gäste täuschen, kann man einige Krebsschwänze mitkochen, was der Suppe eine rote Farbe verleiht. Aber Achtung, kochen Sie reichlich! Gäste, berichtet Schneider, die, ohne es zu wissen, Maikäfersuppe genossen haben, verlangten „doppelte, ja dreifache Portion“. Als Begleiter dieser perfekten Vorspeise empfiehlt sich ein feiner Weißburgunder vom Kaiserstuhl. Im Gegensatz zum früh gelesenen Maikäfer sollte es eine trockene Spätlese sein. Manfred Kriener
Zitate aus: Gerd Ruppelt: „Von Adlerknödeln und Maikäfersuppe“. Verlag Michael Kuhle
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen