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Staatsknete für Händler-Lobby

Colonnaden: Händler und Handelskammer fragen, was die Stadt für sie tun kann, und nicht, was sie für die Stadt tun können  ■ Von Achim Fischer

Die Stadt ist schuld. Darüber sind sich die Einzelhändler aus den Colonnaden einig. Die Stadt sei schuld, daß in der Einkaufs-Straße zwischen Esplanade und Jungfernstieg Geschäfte leerstehen, Fassaden bröckeln, Baustellen stören und überhaupt zu wenig Kundschaft kommt. Die Handelskammer will jetzt zusammen mit Kaufleuten, Eigentümern und Maklern eine Interessengemeinschaft gründen, „um eine starke Lobby gegenüber der Stadt zu schaffen“, kündigte Bernd Reichhardt von der Handelskammer gestern auf einer Veranstaltung der Großen Konsumkoalition im Cinemaxx an.

Früher zählten die Einkaufsstraße zu den teuersten in Hamburg. Heute fühlen sich die Händler von Stadt und den Kunden verlassen. Mehr als zehn Geschäfte stehen leer, zum Teil schon seit Jahren. Die Stadt, fordern die Geschäftsleute, möge sie aus ihrer mißlichen Lage zu befreien – von der Geschäftsleute in der Altonaer Großen Bergstraße oder in Mümmelmannsberg allenfalls träumen können: Mit UFA, Cinemaxx und Streit's gibt es 6500 Kino-Plätze am Rande des Quartiers, Staatsoper und die Boulvardmeile an der Binnenalster liegen nebenan. Kleine Geschäfte, vom Pfeifenhändler bis zur Designer-Mode, sorgen für Abwechslung, vier U- und S-Bahnhöfe liegen in Fußgänger-Reichweite.

Die Stadt hat ein Einsehen und hält die Finanzspritze bereit: Rund 200.000 Mark will die Wirtschaftsbehörde nach Angaben Reichhardts in den kommenden zwei bis drei Jahren an die Händler-Lobby überweisen, damit diese einen „Quartiersmanager“einstellen kann. Mit dem Geld aus der Staats-Schatulle soll er dafür sorgen, daß die Kassen klingeln und das Viertel schöner wird. Der Wunschzettel ist lang: Die Stadt soll die Straße neu pflastern. Die Stadt soll für mehr Parkplätze sorgen. Die Stadt soll auf Gebühren für Straßennutzungen verzichten. Die Stadt soll hübschere Mülleimer aufstellen. Die Stadt ...

Die Stadt „hat kein Geld“, reagiert Peter Gero, Baudezernent im Bezirksamt Hamburg-Mitte. Es sei an den Geschäftsleuten, ein Konzept zu entwickeln, um dann Einzelmaßnahmen mit der Stadt abzusprechen. Denkbar sei vieles: eine neue Bepflasterung, die Sanierung der Fußgängerbrücke vom Dammtor in die Colonnaden, ein umgestalteter Zugang vom Jungfernstieg. Millionen-Umbauten aber könne sich Hamburg kaum leisten. Gero: „Wir können nur Hilfe zur Selbsthilfe leisten.“Ähnlich sieht es die Wirtschaftsbehörde: „Die Kaufleute müssen festlegen, welche Strategie sie verfolgen wollen.

Die Händler sind sich – jenseits von Bepflasterung und Mülleimern – allerdings noch nicht einig. Ob die Straße wieder für den Autoverkehr geöffnet wird, ob mit oder ohne Brücke über die Esplanade, ob Freiluft-Konzerte am späten Nachmittag oder nicht – „wichtige Fragen, die wir noch diskutieren müssen“, so Handelskammer-Mitarbeiter Reichhardt. Aber die Zeit für Finanz-Forderungen sei eben gut, befand derweil ein Anlieger: „Wir haben ja bald Wahlen.“

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