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Die Befreier von Lima waren die Henker

■ Nach dem Sturm auf die besetzte Residenz mehren sich die Hinweise, die Soldaten hätten auf Befehl Fujimoris alle Guerilleros erschossen, auch jene, die sich ergeben hatten. Friedensnobelpreisträger Pérez Esquivel: „Ein Massaker“

Buenos Aires (taz) – „Bringt mich nicht um! Gnade!“ soll eine der MRTA-Guerilleras den stürmenden Spezialeinheiten des peruanischen Militärs entgegengeschrien haben. Der Hilferuf half der knapp 20jährigen nicht mehr, die Soldaten sollen sie mit Maschinengewehrsalven durchlöchert haben. Nach einem Bericht der seriösen argentinischen Tageszeitung Clarin, der sich auf Geheimdienstinformationen stützt, haben die Sonderkommandos der Armee die Geiselnehmer der MRTA- Guerilla regelrecht hingerichtet.

Demnach war keiner der acht MRTA- Guerilleros, die im ersten Stock der Residenz beim Fußballspielen überrascht wurden, bewaffnet. Der Führer des Kommandos, Nestor Cerpa Cartolini, sei von Kugeln durchlöchert worden, als er versuchte, die Treppe ins zweite Stockwerk hochzusteigen. Er starb im Trikot seines Fußballvereins Alianza Lima. Soldaten sollen ihm den Hals aufgeschlitzt haben, eine Kugel zerfetzte ihm das Gesicht. Im Treppenhaus der Residenz habe „überall Gehirnmasse“ herumgelegen, so der Informant des Clarin.

Daß die Aktion so akribisch geplant war, verdankt die peruanische Regierung auch der Anwesenheit von Ausbildern der britischen Antiterrortruppe SAS, die im Dezember, einen Tag nach Beginn der Geiselnahme, in Lima angekommen waren. Damals befanden sich noch zwei Briten unter den Geiseln der MRTA, die jedoch kurz vor Weihnachten freikamen. Bereits im Dezember hätten die peruanischen Spezialeinheiten mit dem Training für den Sturm auf die Residenz begonnen.

Die japanische Regierung hat sich mittlerweile beim britischen Premierminister John Major für die Hilfe bedankt. Die SAS war 1995 vom Europäischen Menschengerichtshof verurteilt worden, weil sie 1988 auf Gibraltar drei unbewaffnete Mitglieder der nordirischen Untergrundorganisation IRA erschossen hatte. Ein ehemaliger Mitarbeiter des US-amerikanischen FBI sagte, die Mitglieder der Sondereinheit seien auch in den USA trainiert worden. Die USA hätten logistische Hilfe geleistet. Mit Spezialflugzeugen, die Infrarotkameras an Bord hatten, haben sie Informationen darüber geliefert, in welchen Zimmern der Residenz sich die Geiseln aufhielten.

Der argentinische Nobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel beschuldigte die peruanischen Spezialkommandos, sie hätten „ein Massaker“ angerichtet „und niemanden der MRTA am Leben gelassen, damit es keine Zeugen gibt, die später aufdecken können, wie die Attacke geführt wurde“. Esquivel beschuldigte den peruanischen Präsidenten Alberto Fujimori, eine „sture Position“ in der Geiselkrise gehabt zu haben. Als „niederträchtig und ungerecht“ bezeichnete die Präsidentin der argentinischcen Mütter der Plaza de Mayo, Hebe de Bonafini, das blutige Ende der Geiselkrise. Bericht Seite 9

Ingo Malcher Kommentar Seite 10

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