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Draußen vor der Tür, Teil II

■ „Schneller Wohnen“im Altonaer Theater: eine temporeiche Maklerkomödie

Prof. Dr. Jürgen Wituschinski ist fix und fertig. Alles hätte so schön werden sollen. Und nun das. Statt mit seiner Lebensgefährtin, der Atemtherapeutin Stefanie Seib (überzeugend: Meike Harten), die gemeinsame Traumwohnung in Ottensen zu beziehen, sitzt er mit all seinen Möbeln und Habseligkeiten auf dem Bürgersteig. Der Schlüssel paßt nicht. Die angeblich leere und mit Wituschinskis Geld aufwendig renovierte Altbauwohnung ist bewohnt. Die zur Hilfe gerufene Maklerin steckt auf den Elbbrücken im Stau, Wituschinskis Auto wird aus dem Parkverbot abgeschleppt, und den Möbelpackern ist eh alles wurscht.

„Chaos ist Ordnung auf höherer Ebene“, versucht der Alt-68er Wituschinski seinem Problem Herr zu werden und verfranst sich immer aussichtsloser in seinen Versuchen, einen Ausweg aus der Misere zu finden und doch noch in die Wohnung einziehen zu können. Schuld an dem ganzen Durcheinander ist die Maklerin (Elga Schütz), die bisher alle und jeden übers Ohr gehauen hat. Auch Albert Ziegelmann (sehr vital: Franz-Josef Dieken), den Wohnungsrenovierer, der vergeblich auf seine Bezahlung wartete. Als er ihren diversen Betrügereien auf die Schliche kam, griff er zur Selbsthilfe, vermietete die Wohnung mehrfach und kassierte ab. Er will zwar nicht Robin Hood, aber auch nicht der Idiot sein.

Der Idiot in diesem Stück ist der Professor. Der kennt sich vielleicht in der Kunstge-schichteaus,aber ganz sicher nicht im richtigen Leben. Reinhard von Hacht spielt ihn so, daß jeder im Zuschauer-raum einen „eigenen Professor“vor Augen hat, der viel redet, aber wenig bewegt. Und pragmatischere Naturen im Altonaer Theater waren sicher das eine oder andere Mal kurz davor, die Bühne zu entern, um das Heft in die Hand zu nehmen.

Wer erwartet hatte, mit Schneller Wohnen ein Problemstück über den Zustand des Wohnungsmarktes und des Maklerwesens zu sehen, der wurde enttäuscht. Schneller Wohnen des Schweizer Autors Silvio Huonder ist eine Komödie – und das ist gut so. Denn wenn ein Prof mit „20.000 Mark im Monat“auf dem Bürgersteig sitzt, ist das sicher keine Tragödie. Tragödien im Wohnungsbereich sehen anders aus.

Aber ist es komisch? In seiner temporeichen Inszenierung gelingt es Regisseur Axel Schneider, die Klippen allzu heftiger Klischees zu umschiffen und den Widerspruch vom erhabenen Schein der Figuren und ihrem in Wahrheit ziemlich niederen Sein überzeugend und mit gutem Gespür für Timing auf die Bühne des Altonaer Theaters zu bringen. Zum Lachen war das schon. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Katja Burghardt

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