: Ein zerhackter Stadtteilpark
Seit zwanzig Jahren ist auf dem Gleisdreieck ein Stadtteilpark geplant. Der Masterplan sah auf den Liegewiesen Büro- und Wohnhäuser vor: voreilig, wie sich jetzt herausgestellt hat. Die Fläche ist verplant ■ Von Markus Franken
Die Aussicht ist längst postkartenberühmt: 28 Kräne zählt man von der U1-Haltestelle Gleisdreieck auf am Potsdamer Platz. Ständig donnern schwere Lkws über die Brücke am Landwehrkanal und bringen Fuhre um Fuhre vom Logistikzentrum auf Europas größte Baustelle. Hier, auf dem Gleisdreieck zwischen Landwehrkanal im Norden und Yorckstraße im Süden, sollen Spielplätze und Liegewiesen bald Asphaltpisten und Schienenstränge ablösen: Geplant ist ein großer Stadtteilpark zwischen Kreuzberg, Tiergarten und Schöneberg.
Sechzig Hektar Brachflächen in zentraler Lage wecken Begehrlichkeiten: Auch dem Masterplan, der alle Einzelplanungen in ein übergeordnetes Stadtplanungskonzept einordnen will, ist das Areal nicht entgangen. In dem ersten Entwurf zum „Planwerk Innenstadt“ sahen die Planer um Staatssekretär Hans Stimmann eine Bebauung vor, wo eigentlich Liegewiesen hin sollten: Entlang der Möckernstraße leuchten in den jetzt überholten Plänen vier massive Gebäude auf grasgrünem Untergrund. Und auch auf der Schöneberger Seite rückten Baukörper dem geplanten Grün zuleibe. Außerdem legten sie eine Straße quer durch das Gelände.
„Da sind die zuständigen Planungsbüros über das Ziel hinausgeschossen“, stutzt Johanna Holtmann als Fachplanerin in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die hochfliegenden Pläne zurecht. Das Areal sei so überhaupt nicht verfügbar. Um das Gleisdreieck bemühe sich bereits ein anderes Büro.
Es klingt grotesk: Eine Zeitlang arbeiteten zwei von Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) beauftragte Planungsbüros unabhängig nebeneinanderher, ohne sich abzustimmen. Während die Masterplan-Gruppe an einem übergeordneten Plan für das Gleisdreieck feilte, überlegten die Architekten der Gruppe „Planwerk“, wie das Gelände im Detail zu gestalten ist. Die Masterpläne für die Häuser in dem geplanten Park, so Holtmann, verschwanden denn auch ebensoschnell wieder in den Schubladen, wie sie aufgetaucht waren. Geblieben ist von den Vorstellungen vor allem eine Straße durch die Grünanlagen, die jetzt für heftigen Streit sorgt.
In Ansätzen kann man erahnen, wie das zukünftige Gelände am Gleisdreieck einmal aussehen soll. Die 60 Meter breiten und 25 Meter hohen Betonkästen, die zur Zeit in das Gelände am Landwehrkanal eingegraben werden, bilden die Einfahrt zu dem rund 3,5 Kilometer langen Eisenbahntunnel, durch den ab 2003 der ICE zum Lehrter Stadtbahnhof fährt. Die viergleisige ICE-Trasse wird die Züge mitten durch den Park und über die Yorckbrücke in den Süden führen.
Das Gleisdreieck ist dann in eine langgestreckte Fläche im Westen und eine ebenso große Fläche im Osten, entlang der Möckernstraße, geteilt. Aber es gibt noch mehr Schienenverkehr auf dem „Naherholungsgebiet“: Die Hochbrücken der U1 und U2 werden natürlich bleiben, und eventuell kommt noch eine neue S-Bahn – die S21 – dazu.
Westlich der ICE-Trasse ist eine weite Parkfläche geplant, die zur Yorckstraße hin von einem Neubau abgeschlossen wird. Das alte Zollgebäude gegenüber der Kneipe „Zoll-Eck“ (die schon 1910 die Berliner Zollkutscher mit Bier und Buletten versorgt hat) muß dann weichen: Die Deutsche Bahn AG hat aus alten Verträgen mit dem Land Berlin Anspruch auf angemessene“ Flächen am Gleisdreieck und will die Ecke Yorckstraße/Möckernstraße nutzen.
An der Ecke Möckernstaße/ Landwehrkanal will das Deutsche Technikmuseum Berlin seine Ausstellungsflächen erweitern und die Kopfgebäude des alten Anhalter Güterbahnhofs wiederaufbauen. Die heute schon bebauten Flächen zwischen dem Museum und den U-Bahn-Haltestellen am eigentlichen Gleisdreieck werden „verdichtet“.
Um jedes weitere Gebäude im Park zu vermeiden, sollen diese ohnehin bebauten Flächen so viele Büros und Wohnungen aufnehmen wie möglich. Aus Sicht des Senats spricht auch die Nähe zu den U-Bahnhöfen für dieses Konzept: „Dieser Bereich ist sehr gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen, und wer dort arbeitet, wäre kaum noch auf das Auto angewiesen“, argumentiert Holtmann.
Hinter der BP-Tankstelle zwischen den 26 Yorckbrücken sollen Bürohäuser entstehen, die keinen direkten Zugang zum Park haben werden. Westlich der Eisenbahntrasse sind im Süden Sportplätze geplant.
Die Schrebergärten, in denen jetzt die ersten Blüten treiben, werden Basketballspielern und Joggern weichen müssen. Den Weg von Kreuzberg nach Tiergarten können Radfahrer und Fußgänger in Zukunft über einen direkten Weg von der Hornstraße zur Bülowstraße abkürzen.
Die heute gültigen Planungen haben nun die Masterplaner und die Architekten der Gruppe „Planwerk“ miteinander abgestimmt. Mit dem bei der gemeinsamen Absprache jetzt Erreichten ist Heinz Tibbe von „Planwerk“ zufrieden. Die Auseinandersetzung mit den Vorstellungen der Masterplaner seien konstruktiv gewesen. Weniger zufrieden sind alle Beteiligten mit dem Parkhaus für 1.500 Autos, das die Daimler-Benz- Tochter debis parallel zum nördlichen Park und direkt am Landwehrkanal plant.
In den angrenzenden Bezirken bleiben die Planungen umstritten, weil sich die Masterplaner mit der Vorstellung durchsetzen wollen, die Pohlstraße zu verlängern und durch den nördlichen Park zu legen. Matthias Bauer von der Bürgerinitiative „Interessengemeinschaft Gleisdreieck“ orakelt, daß die Straße den „Rückstau des Tiergartentunnels auffangen“ soll. Um den Potsdamer Platz und den Leipziger Platz herum erwarten die „mobilen“ Experten ohnehin erhebliche Verkehrsprobleme.
Auch der bündnisgrüne Bürgermeister Kreuzbergs, Franz Schulz, kann keinen Sinn in der Verbindung erkennen (siehe Interview). Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz hält dem entgegen, die Straße durch den zukünftigen Park wolle man nur für den Bus- und Taxiverkehr öffnen.
Noch ist die Diskussion über den neuen Park nicht richtig in Gang gekommen. Was in den Büros der Planer und Behörden hängt, ist den AnwohnerInnen bisher unbekannt, vieles auch noch zu wenig konkret. Ab Mitte Mai wird das anders. Dann will die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eine detaillierte Planung präsentieren. Die Verlängerung der Pohlstraße und das debis-Parkhaus am Parkrand werden dann genug Zündstoff bieten, um die Diskussion in Fahrt zu bringen.
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