: Beitrag oder Rechentrick
■ Wirksamkeit und Auswirkungen von Arbeitszeitverkürzungen sind umstritten
Studien über die Beschäftigungswirksamkeit von Arbeitszeitverkürzungen gibt es reichlich. Ihr besonderer Charme liegt in ihrer verwirrenden Vielfalt. Während das gewerkschaftseigene Forschungsinstitut WSI zu dem Schluß kommt, daß die bisherige Verkürzung der Wochenarbeitszeit einen „guten Beitrag zur Linderung der Beschäftigungsprobleme geleistet hat“, verbreitet das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) die ganz und gar gegenteilige Botschaft: Die Arbeitszeitverkürzung habe „weder einen Beschäftigungsschub noch einen beschleunigten Produktivitätsfortschritt gebracht – wohl aber Wachstumspotentiale zerstört“.
Wenn man alle Studien zusammenfasse, so lautet die Bilanz des WSI-Spezialisten Hartmut Seifert, könne man „in etwa davon ausgehen, daß rund die Hälfte bis zwei Drittel des rechnerischen Beschäftigungseffektes“ der Wochenarbeitszeitverkürzung auch tatsächlich wirksam geworden sei. Insgesamt gehen laut Seifert rund eine Million der existierenden Beschäftigungsverhältnisse auf das Konto der Arbeitszeitverkürzung.
Anders ausgedrückt: Ohne die bisher vollzogene Abschmelzung der 40-Stunden-Woche läge die Arbeitslosenquote in den alten Bundesländern um vier Prozentpunkte höher. Zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), eine Forschungseinrichtung der Bundesanstalt für Arbeit. Der IAB- Experte Hans Kohler beziffert den durch die Arbeitszeitverkürzung von 40 auf jetzt durchschnittlich 37,5 Wochenstunden erzeugten Beschäftigungseffekt „auf zirka 850.000 Arbeitsplätze“ in den alten Bundesländern.
Für den Arbeitgeberverband Gesamtmetall beruhen solche Bilanzen dagegen „im Kern“ auf einem „simplen Rechentrick“. Wer die wöchentliche Arbeitszeit im Metallbereich durch 40 statt durch 35 teile, bekomme im zweiten Fall „natürlich immer ein höheres Ergebnis“. Tatsächlich gebe es aber „keinen Beweis“ für die Jobsicherung, weil durch die Arbeitszeitverkürzung „Arbeitsvolumen verschenkt“ worden sei.
Zum einen sei dafür die Verteuerung der Arbeitskosten je Stunde verantwortlich, die zu einer Drosselung von Aufträgen und Produktion geführt habe. Zum anderen hätten viele Unternehmen wegen der Arbeitszeitverkürzung „über das normale Maß hinaus“ rationalisiert. Das allein habe in den Jahren 1995 und 1996 insgesamt zirka 200.000 Arbeitsplätze gekostet.
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