: Ein ungeliebter Restposten der gescheiterten Fusion
■ Die gemeinsame Planungsabteilung von Berlin und Brandenburg arbeitet mehr schlecht als recht
So eine Behörde haben sich viele gewünscht: ein modernisierter Backsteinbau aus dem 19. Jahrhundert mit Blick auf Potsdam, Mitarbeiter aus Berlin und Brandenburg, ein „rotes“ Telefon für die Hauptstadt, ein anderer Draht zum Minister und schließlich gemeinsame Absprachen über die Entwicklung der Stadt und das Umland. Der Volksentscheid am 5. Mai 1996 gegen die Fusion der beiden Länder Berlin und Brandenburg hat wenig von dieser Vision gemeinsamer Landespolitik und -verwaltung übriggelassen. Geblieben ist immerhin eine Institution, die Gemeinsame Planungsabteilung der beiden Länder.
„Wir sind die einzigen, die teilfusioniert sind“, sagt der Chef der Planungsgruppe, Gerd Gebhardt. „Wir praktizieren eine Entscheidungskultur, die beide Länder betrifft und von der beide profitieren.“ In den eineinhalb Jahren seit dem Bestehen der Abteilung hätten sich nicht nur Arbeitsschwerpunkte und einheitliche Maßstäbe der gemeinsamen Stadt- und Landesentwicklung herauskristallisiert, ohne die sich der „engere Verflechtungsraum“ um Berlin „chaotisch“ und in „nachbarschaftlicher Konkurrenz“ entwickelt hätte. Die rund 100 Mitarbeiter, von denen die eine Hälfte aus dem Hause Platzeck (Brandenburgs Minister für Umwelt und Naturschutz) die andere aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kommt, praktizierten auch die „Kooperation“ zwischen Stadt und Land. „Sicher“, meint Gebhardt, „gibt es Interessenkonflikte, aber wir suchen den Kompromiß.“
Vorrang bei der Kompromißbewältigung haben die Fragen der Besiedlung des Umlands, der Freiraum- und Umweltschutz, die Verkehrswegeplanung sowie die „Metropolenentwicklung. Haben die rund 250 Gemeinden rund um Berlin bis 1994 „noch auf Deubel komm raus geplant und gebaut“, wie Gebhardt findet, so konnte der Gewerbe- und Wohnungsbau nun per Vertrag „kanalisiert“ werden. Die Berliner rangen den Brandenburgern ein Moratorium bei der Errichtung von Einkaufszentren ab. Zugleich wurde festgeschrieben, den „Speckgürtel“ nicht wild wuchern zu lassen, sondern die Entwicklung auf 26 Punkte zu konzentrieren. Dort – etwa um Teltow, Nauen oder Königs Wusterhausen – ist eine planerische Ausdehnung möglich, da die Gemeinden an wichtigen verkehrlichen Radialen oder Schnittpunkten liegen.
Beim „Projekt 17“ hat die Abteilung den Vorschlag durchgesetzt, daß „in sensiblen Gebieten“ die Havel nicht für große Pötte verbreitert wird und außerdem ein Vorschlag geprüft wird, die Schiffe über Hennigsdorf nach Berlin zu leiten.
Das Konzept der „dezentralen Konzentration“ – die Weiterentwicklung von größeren Städten und Gemeinden wie Brandenburg, Neuruppin oder Jüterbog – beinhaltet zudem die ökologisch orientierte Landesentwicklung. Der Schutz der bestehenden Freiräume, die durch den Bestand der Teilung bis 1989 noch weitgehend an Berlin heranreichen, soll damit gewährleistet werden. „Für Berlin genauso wie für Brandenburg sind die regionalen Freiflächen ein Pfund, das bewahrt werden muß“, findet Gebhardt.
Während nach Ansicht des Chefplaners der Gemeinsamen Planungsabteilung die „Bedürfnisse vieler Berliner, nach draußen zu ziehen, befriedigt werden können, ohne das „Gleichgewicht“ zischen Stadt und Land, Natur und Ansiedlung zu zerstören“, sieht die Realität zum Teil recht ungleichgewichtig anders aus. Weil die Planungsabteilung nur Kompetenzen bezüglich der Flächenausweisung besitzt, aber keine Planungshoheit und Steuerungsinstrumente in den Kommunen besitzt, konterkarieren die Gemeinden und Berlin die Ideale der gemeinsamen Raumordnung.
Nach wie vor versuchen die Hauptstadt und das Umland sich die potenten Investoren gegenseitig abspenstig zu machen, statt auf Standortausgleich zu achten. Verkehrstrassen – wie für den Transrapid – leitet Berlin trotz gemeinsamer Raumordnungsverfahren nach eigenem Gusto von Brandenburg ins Zentrum. Und die kleinen Gemeinden weisen lieber an ihren Rändern rentable Flächen für den Eigenheimbrei oder für Fabrikgebirge – wie in Falkensee – aus, statt die Innenentwicklung der bestehenden Siedlungen zu stärken.
Beispielsweise schluckten 1996 die Umlandgemeinden fast 22.000 Berliner, die vorzugsweise in frisch erstellte Eigenheime oder Wohnsiedlungen einzogen. Die Städtchen wandelten dagegen ihre Zentren in öde Büroquartiere um. Das Problem der Gemeinsamen Landesplanungsabteilung sei, kritisiert der Planer Philip Oswald, daß die gegenseitigen Abhängigkeiten weder die Konkurrenzen noch Begehrlichkeiten der Partner ausschlössen. Wenn es ums Geld gehe, sei jedem das Hemd näher als die Hose.
Die selbstherrlichen Interessen der Städte und Gemeinden sowie den wirtschaftliche Druck gegenüber der gemeinsamen Landesplanung sieht Gebhardt durch den Staatsvertrag vom 15. August 1995 zwar gebremst. Deren nach wie vor existierende Dominanz leugnet er aber nicht. „Natürlich gucken wir auf die Verträglichkeit der Planungen. Zu 80 Prozent geht das gut, bei 20 Prozent gibt es Probleme.“ Rolf Lautenschläger
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