: Koalition streitet über Kryptogesetz
■ Rüttgers gegen Kanther-Plan zur Datenentschlüsselung
Berlin (taz) – Der Streit in der Bonner Koalition über eine gesetzliche Beschränkung der Verschlüsselung von Daten ist offen ausgebrochen. Der Widerstand der FDP gegen ein „Kryptogesetz“, wie es Bundesinnenminister Manfred Kanther gefordert hatte, sei „falsch verstandene Liberalität“, kritisierte gestern der CSU-Innenpolitiker Wolfgang Zeitlmann in Bonn. Gegen eine solche Regelung sprach sich aber auch Bundesforschungsminister Jürgen Rüttgers (CDU) aus.
Verschlüsselungsverfahren kommen vor allem im Internet zunehmend zur Anwendung. Unternehmen sichern damit den vertraulichen Austausch ihrer Daten, Ärzte sichern ihre Patientendateien, Menschenrechtsorganisationen und Widerstandsgruppen entziehen sich so den Lauschoperationen der Geheimdienste. Phil Zimmermann, der das weltweit bekannte Programm PGP (Pretty Good Privacy) entwickelt hat, behauptet sogar, PGP habe auf dem Balkan Menschenleben gerettet. Geheimpolizisten hätten etwa das Büro einer Hilfsorganisation auf der Suche nach den Namen von Augenzeugen der Kriegsgreuel durchsucht, um diese zum Schweigen zu bringen. PGP, sagt Zimmermann, „hat das verhindert“.
Weil Verschlüsselungsprogramme aber auch von Kriminellen genutzt werden, fordert der Innenminister, nur solche Verfahren zuzulassen, bei denen für die Sicherheitsbehörde eine Möglichkeit zur Entschlüsselung vorgesehen ist. Anfang der Woche hat er sich vor einem Computer-Sicherheitskongreß in Bonn dafür ausgesprochen, per Gesetz Polizei und Geheimdiensten den Zugriff auf verschlüsselte Daten zu ermöglichen. „Wir brauchen kein neues Gesetz“, sagte dagegen Rüttgers. Angesichts der technischen Möglichkeiten des Netzes „würde ein Kryptographieverbot scheitern“. Rüttgers warnte generell vor jeder Überregulierung und kritisierte das Vorgehen deutscher Justizbehörden. Als Beispiele nannte er die Anklage gegen einen Compu- Serve-Geschäftsführer in München und das Vorgehen von Staatsanwälten gegen das Deutsche Forschungsnetz. Gegen rechtlich problematische Inhalte im Internet müsse zweifellos vorgegangen werden, „aber nicht auf dem Rücken der Unternehmer“. Der forschungspolitische Sprecher von Bündnis 90/ Die Grünen im Bundestag, Manuel Kiper, nannte ein Kryptogesetz „überflüssig und schädlich“. Die „konservative Mobilmachung“ für eine staatliche Kontrolle des Internets belaste dessen wirtschaftliche wie kommunikative Nutzung. Wolfgang Gast
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