: Berlin bleibt sich treu: Maikrawalle
■ Die Hauptstadt gab sich in der Nacht zum 2. Mai standesgemäß. Nach Randale 325 Festnahmen
Berlin (taz) – Die Berliner Polizei hat ihr rüdes Vorgehen für eine revolutionsfreie Hauptstadt auch in den Abendstunden des 1. Mai fortgesetzt. In Kreuzberg entbrannte das Gefecht zwischen Ordnungsmacht und Linken kurz vor Abschluß eines bis dahin friedlichen Straßenfestes auf dem Mariannenplatz, als gegen 21 Uhr am Rande des Festes ein Pkw angezündet wurde. Die kurz darauf eintreffenden Beamten wurden von einem Pflastersteinhagel empfangen. Obwohl nur wenige Festbesucher an der Auseinandersetzung beteiligt waren, räumte die Polizei das gesamte Areal. Ein Wasserwerfer und viel Tränengas kamen zum Einsatz, obwohl sich noch Kinder auf dem Platz befanden.
Im weiteren Verlauf des Abends und der Nacht kam es sowohl in Kreuzberg als auch in Mitte und Prenzlauer Berg, wo etwa 10.000 Menschen demonstriert hatten, immer wieder zu Scharmützeln, bei denen die Polizei teilweise unverhältnismäßig brutal, auch gegen Unbeteiligte, vorging. Die Gegenseite ließ nach Angaben der Polizei fünf Autos in Flammen aufgehen und demolierte Bushaltestellen und Bauwagen. Der Kameraassistent eines Sat.1-Teams wurde von „Autonomen“ so schwer verletzt, daß er wiederbelebt werden mußte.
Insgesamt wurden am 1. Mai und in der Nacht zuvor nach Polizeiangaben 325 Personen festgenommen – etwa 100 mehr als im letzten Jahr. „Wir haben Straftäter gezielt aus der Anonymität gezogen, weil sie das mehr fürchten als Schlagstöcke“, begründete der Gesamteinsatzleiter gestern den Anstieg der Verhaftungen. Auch die geringe Zahl der Sachschäden rechnete Polizeipräsident Hagen Saberschinsky seinen 5.000 Mann starken Truppen an. Flächendeckende Präsenz und konsequentes Eingreifen hätten die befürchtete Eskalation verhindert. Rund um den Kollwitzplatz in Prenzlauer Berg hatte die Polizei ein großes Aufgebot zusammengezogen, um Ausschreitungen zu verhindern. Das Viertel wurde hermetisch abgeriegelt. Viele Gastwirte und Anwohner hatten vorsorglich ihre Fensterscheiben mit Brettern vernagelt. Auf dem Platz war es letztes Jahr zu Krawallen zwischen mehreren hundert Jugendlichen und den Einsatzkräften gekommen. Der „erfolgreiche und besonnene Einsatz“ der Beamten habe wesentlich zum Ansehen der Hauptstadt Deutschlands beigetragen, so Innensenator Jörg Schönbohm (CDU). Durch die hohe Polizeipräsenz sei sichergestellt worden, daß eine Eskalation keine Chance gehabt habe. Auch die Veranstalter der „revolutionären 1.-Mai-Demo“ im Osten waren zufrieden: Trotz massiver polizeilicher Provokationen habe die Demonstration erfolgreich beendet werden können. howi/ga
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen