: Länder des Königreichs ganz ohne Konservative
■ In Schottland, Wales und Nordirland gewinnen die Tories keinen einzigen Sitz. Aber auch die Hoffnungen der Nationalisten trogen. Erfolg für Sinn Féin
Glasgow (taz) – Sogar seine Mutter habe für die Schottische Nationale Partei (SNP) gestimmt, sagte SNP-Chef Alex Salmond vorgestern. „Und wenn Mama nicht die schottischen Tories wählt, wer dann?“ Die Antwort war: kaum jemand. Die Tories sind eine englische Partei. In Wales und Schottland verloren sie sämtliche Sitze, in Nordirland hatten sie noch nie welche.
Dort wird der Wahlkampf unter anderen Gesichtspunkten geführt: Die Sozialdemokraten von der SDLP und Sinn Féin, der politische Flügel der IRA, sind für ein vereintes Irland, die drei unionistischen Parteien wollen die Union mit Großbritannien beibehalten. Die Tories haben dort erst vor wenigen Jahren einen Ortsverband gegründet. In Nordirland begannen sie mit der Stimmenauszählung erst gestern früh, weil es nachts zu gefährlich ist – man befürchtete Anschläge der Loyalisten. Fest stand bei Redaktionsschluß, daß Pfarrer Ian Paisley sein Mandat erwartungsgemäß verteidigen konnte. Außerdem gewann der Sinn-Féin- Vorsitzende Gerry Adams den Sitz in West-Belfast von dem SDLP- Abgeordneten Joe Hendron mit einem deutlichen Vorsprung von fast 8.000 Stimmen zurück, sein Stellvertreter Martin McGuinness errang ebenfalls ein Mandat – ein Ergebnis, das Tony Blair höchst ungelegen kommt. Mit dem Erfolg im Rücken wird Adams einen Sitz bei den Mehrparteiengesprächen in Nordirland einfordern. In Schottland schickten die WählerInnen gleich drei Kabinettsminister nach Hause: Handelsminister Ian Lang, Schottland-Minister Michael Forsyth und Außenminister Malcolm Rifkind. Da bei der Direktwahl nur die Sitze zählen und es kein Sicherheitsnetz in Form einer Listenwahl, gingen die Tories leer aus, obwohl sie in Schottland 17 Prozent der Stimmen gewannen. Die Liberalen Demokraten dagegen kamen nur auf 13 Prozent, holten aber zehn Sitze. Gewinner war, ganz wie im Rest des Landes, die Labour Party. Sie kam auf 56 Mandate. Die SNP konnte die Zahl ihrer Sitze zwar auf sechs verdoppeln, erfüllte aber die eigenen Erwartungen nicht. In rund einem Dutzend Wahlkreise kam sie nur auf den zweiten Platz, insgesamt lag ihr Stimmenanteil bei 22 Prozent.
SNP-Chef Alex Salmond hatte darauf gewettet, daß seine Partei „zwischen 7 und 40 Sitze“ gewinnen würde. Verfassungsexperten sagten, daß die Tories als zweitstärkste britische Partei auch in Schottland die offizielle Opposition sind. Wie das in der Praxis aussehen soll, wenn es keinen einzigen schottischen Tory-Abgeordneten gibt, weiß die Partei selbst nicht. David McLetchie, Chef der schottischen Tories, sagte gestern: „Darüber werden wir nächste Woche beraten, wir müssen das Beste draus machen. Wir sind der halben Million Menschen verpflichtet, die uns gewählt haben.“ Das sei doch alles völliger Blödsinn, sagte ein Labour-Sprecher: „Wir haben 56 Sitze, da ist es doch vollkommen schnuppe, wer die Opposition ist.“ Und George Robertson, wohl der neue Schottland-Minister, sagte: „Eine neue Zukunft hat für Schottland begonnen, und ich wäre gerne Teil davon.“
In 14 Tagen beginnt der Wahlkampf in Schottland erneut. Dann geht es um das Referendum, das die Labour Party versprochen hat. Die SchottInnen sollen entscheiden, ob sie ein eigenes Parlament – allerdings mit sehr begrenzten Befugnissen – wollen. Die SNP verlangt von Labour, auch die völlige Unabhängigkeit zur Wahl zu stellen. Eine Gruppe konservativer Geschäftsleute wird vermutlich eine Kampagne gegen das Parlament führen, nachdem es keine Tory-Abgeordneten mehr gibt, die das tun könnten.
Auch Wales soll ein eigenes Parlament bekommen, allerdings mit noch geringerer Macht als in Schottland. Die walisischen Nationalisten sind zu schwach, um mehr Unabhängigkeit durchzusetzen. Sie hielten ihre vier Sitze, Labour gewann 34 Mandate, und die Liberalen Demokraten haben nun zwei Sitze – eine Verdoppelung ihres Ergebnisses von 1992. Ralf Sotscheck, Glasgow
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