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Ausgleich. Bumm.

Vollkommen sinnloser Punktverlust: Nach dem 2:2 in Mönchengladbach wollen die Leverkusener selbst nicht mehr über den Titel reden  ■ Vom Bökelberg Thomas Lötz

„Wir haben den Uefa-Cup und den DFB-Pokal, und deutscher Meister werden wir in diesem Jahr.“

(Leverkusener Fans)

In welche Ecke des Pressebereichs man sich auch begab und an welchem Gespräch auch teilnahm, immer wenn ein Leverkusener Spieler oder Verantwortlicher nach dem Spiel bei Borussia Mönchengladbach vor Mikrofone oder Schreibblöcke genötigt wurde, kam irgendwann und meistens ziemlich rasch die scheinbar an diesem Nachmittag so unausweichliche wie mit extremer Bedeutung behaftete Frage: „Glauben Sie, daß das jetzt die Entscheidung um die deutsche Meisterschaft war?“

Bis eine Handvoll Sekunden vor dem Ende hatte Bayer beim Stand von 2:1 zu seinen Gunsten drei Punkte im Kampf um die deutsche Meisterschaft und gegen Bayern München eingefahren. Da segelte ein langer und von Gladbachs schwachem Manndecker Patrik Andersson hilflos gedroschener Ball Richtung Leverkusener Strafraum. Bayers kopfballstarker Erik Meijer kam gegen Michael Klinkert nicht hoch, mußte zusehen, wie dieser den Ball nach vorne verlängerte und Martin Dahlin seinem Bewacher Christian Wörns eigentlich erstmalig im Spiel so richtig komfortabel enteilte und den Ausgleich markierte. Bumm.

Damit war der vollkommen sinnlose Verlust von zwei Punkten in einem Spiel perfekt, das der Titelaspirant Leverkusen über weite Strecken dominiert hatte und in dem eine verzweifelt-unorganisiert angreifende und lediglich kämpferisch überzeugende Borussia aus Mönchengladbach in der zweiten Halbzeit mit „Drängelfußball“, wie Christoph Daum das zutreffend nannte, noch einen Punkt klargemacht hatte.

Mit einem sicheren 2:0 ging Leverkusen in die Halbzeit, und alles sah nach einem – zumindest nicht mehr von Mönchengladbach zu verhindernden – Sieg aus. Doch dann ließ Bayer sich – nicht zum ersten Mal in dieser Saison – zurückfallen und überließ Gladbach immer mehr den Ball und damit das Spiel. Nach 65 Minuten stand es durch ein Tor von Jörgen Pettersson 1:2, und dann versäumte Leverkusen es bei Konter-Großchancen von Paolo Sergio und Hans- Peter Lehnhoff, das dritte und siegbringende Tor zu machen.

Christoph Daum teilte anschließend ernüchtert mit, daß dieses 2:2 für die Meisterschaft entscheidend gewesen sei. Was ja nur heißen konnte, daß seine Mannschaft für den Titel des deutschen Meisters nicht mehr in Frage komme. Da rührte sich im Journalistenpulk der Kollege von der Frankfurter Rundschau: „Aber, Herr Daum, Sie müssen sich doch über den Ausgang dieses Spiels maßlos ärgern?“ Antwort des Leverkusener Trainers: „Wie kommen Sie denn darauf, daß ich mich ärgere! Die Mannschaft hat bisher Großartiges geleistet, und wir werden in dieser Saison noch einiges leisten!“

Es ist diese Haltung, die den sogenannten „Motivationskünstler“ Daum in diesen Wochen auszeichnet und die einen gewissen Respekt abnötigt. „Ich habe aus der Vergangenheit gelernt und versuche jetzt, mich auf die Arbeit mit der Mannschaft zu konzentrieren, durch sportliche Leistungen Argumente zu liefern.“ Der Mann hat einfach keine Lust mehr, auf die von Woche zu Woche sich ändernden Medienthesen („X wird/wird nicht mehr Meister“) einzugehen. Er will von diesem ganzen schlagzeilenträchtigen Mist in Ruhe gelassen werden: „Fällt den Medien eigentlich gar nichts anderes mehr ein, als mich täglich in irgendeine Rolle zu stecken?“ Schließlich sind es noch vier Spiele, in denen Bayer Leverkusen vor allem beweisen kann, was innerhalb eines Jahres aus einer fast abgestiegenen Mannschaft und dem „Plastikklub“ Bayer Leverkusen geworden ist. Das, so scheint es, ist in Leverkusen das derzeit vorherrschende Ergebnis dieser Saison.

Aber selbstverständlich wissen Sie und wir auch, daß das nächste Woche schon wieder ganz anders aussehen kann. Und um noch einmal auf unsere Ausgangsfrage zurückzukommen: „Natürlich ist die Meisterschaft noch nicht durch. Wenn ich so nicht denken würde, müßte ich sofort mit dem Fußballspielen aufhören, und Leute wie du hätten dann keine Arbeit mehr!“ sagte Bayer-Stürmer Erik Meijer und ließ mich stehen.

Bayer Leverkusen: Heinen – Nowotny – Wörns, Happe – Lehnhoff, Nico Kovac (78. Robert Kovac), Ze Elias, Sergio, Heintze – Kirsten (84. Rydlewicz), Meijer

Zuschauer: 31.000

Tore: 0:1 Nico Kovac (1.), 0:2 Kirsten (42.), 1:2 Pettersson (65.), 2:2 Dahlin (89.)

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