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Nicht weicher und nicht härter

Ist Justitia weiblicher geworden? Haben die neueingestellten Frauen Richterschaft und Staatsanwaltschaft zum Positiven verändert? Nein, meint  ■ Ulrike Winkelmann

Rabiat, barsch, manchmal auch laut. So oder ähnlich lauten die Adjektive, mit denen Auftreten und Sprache von Richterinnen und Staatsanwältinnen in der Prozeßberichterstattung gerne belegt werden.

Besonders, wenn Frauen über Frauen zu Gericht sitzen, ist die Bestürzung groß, wenn es zu einem als hart und damit ungerecht empfundenen Urteil kommt. Wenn mehr als „mutmaßliche“ Vergewaltiger von Richterinnen freigesprochen, Prostituierte von Richterinnen jenseits aller sozialen Kontexte verurteilt oder zwielichtige Frauen keine Nachsicht erfahren, stellt etwa Gisela Friedrichsen, Spiegel-Gerichtsreporterin, gerne die Frage, „ob Frauen die besseren Richter über Frauen als Angeklagte sind“. [Sind Männer denn die besseren Richter über Männer? d.sin]

Die Namen, die mit weiblicher Unrechtssprechung oder unglaubwürdiger Ermittlungspraxis in Verbindung gebracht werden, lauten etwa Marion Zippel, Staatsanwältin in Hamburg, die dort routinemäßig die Ermittlungen gegen die rings um den „Hamburger Polizeiskandal“ beschuldigten Polizisten fallenließ, oder Inken Schwarzmann, Richterin in Berlin, der ein geradezu pathologischer Haß auf TäterInnen nachgesagt wurde.

Zufälle? Einzelfälle? Vorurteile? „Imponderabilien“: Unwägbarkeiten, meint Uta Fölster, Sprecherin von Deutschlands bekanntester und höchster Richterin Jutta Limbach am Bundesverfassungsgericht. Studien über weibliche Spruchpraxis im Vergleich zur männlich normierten, geschweige denn über das Auftreten weiblicher Juristinnen im Gerichtssaal gibt es kaum. Die bekannteste dürfte das 1994 erschienene Buch „Strafrichterinnen als Hoffnungsträgerinnen?“ von Regine Drewniak sein. Drewniaks Antwort auf das Fragezeichen im Titel lautet: nein. Strafrichterinnen urteilen nicht einfühlsamer, nicht frauen- oder opferfreundlicher, nicht weicher, aber auch nicht härter als ihre männlichen Kollegen.

„Müssen wir unsere Hoffnung zu Grabe tragen“, fragte Verfassungsrichterin Limbach 1995 deshalb in ihrer Rede „Frauen vor den Toren der Jurisprudenz“, „daß die Justiz unter dem Einfluß von Frauen ein menschlicheres Gesicht gewinnen“ könnte? Limbach ließ diese Frage offen und suchte Gründe für das Ergebnis der Studie Drewniaks: „Möglicherweise“ seien gerade Richterinnen im Unterschied zu vielen anderen Akademikerinnen „eher den Männern ähnlich autoritär strukturiert“.

Hinzu komme, daß die juristische Sozialisation „schwerlich dazu angetan“ sei, soziale und philosophische Bezüge des Rechts zu bedenken. Im übrigen sei es nur naheliegend, daß Frauen sich als Minderheit in der zweifelhaften Tugend der Zurückhaltung, sprich Konformität übten.

Constanze Görres-Ohde, die 1989 zur ersten Landgerichtspräsidentin der Republik ernannt wurde und mittlerweile das gleiche Amt in Hamburg innehat, denkt sehr wohl, „daß Frauen die Justiz zum Guten verändert haben“. Als junge Richterin sei sie bisweilen von Anwälten nicht für voll genommen worden, wenn sie „die weibliche, verständnisvolle Rolle gespielt“ und Nachsicht bewiesen habe. „Da mußte ich mich auf Formales zurückziehen und strenger werden.“ Je höher in der Hierarchie sie aber gekommen sei, desto mehr seien als weiblich definierte Strategien akzeptiert worden.

Auch Brigitte Tilmann, seit einem Jahr Landgerichtspräsidentin im Limburg, glaubt an den „weiblichen Stil“. Allerdings schlüge der sich vermutlich nicht in der Urteilspraxis nieder, sondern eher in der Art der Verhandlungsführung. „Die intensive Beschäftigung mit den menschlichen Schicksalen von Opfern und Tätern gerade an Strafgerichten greift die Seele an“, erklärt Tilmann – „und vielleicht ist das bei Frauen noch mehr so als bei Männern.“

Die Hoffnungen, die sich an die Frau im Richteramt heften, sind es nach Ansicht von Alexandra Goy vom Anwältinnenkollektiv in Berlin allerdings auch, die ihr zum Nachteil gereichen. Denn „die Erwartung, eine Richterin möge als Frau doch bitte gerechter und menschlicher sein, kann zu leicht enttäuscht werden“, sagt Goy. Die Rede von weiblichen Tugenden macht sie daher ebenso skeptisch wie die von weiblichen Schwächen oder Schwierigkeiten, sich der männlich genormten Richter- Rolle anzupassen.

„Rigidität, Machtmißbrauch oder einfach falsche Urteile“, so Goy, würden bei männlichen Staatsanwälten oder Richtern daher nicht weiter bemerkt. Von Frauen jedoch werde immer noch erwartet, sie seien die besseren Menschen. Natürlich, erklärt Goy, unterlägen Frauen in der Justiz „Anpassungsmechanismen“, die eine „weibliche“, irgendwie andere Urteilspraxis verhinderten. „Das Phänomen der Überanpassung“, erklärt Goy die bisweilen beobachtete sinnlose Härte von Juristinnen, „hat allerdings auch viel mit der Herkunft aus der Beamtenschaft zu tun.“

Auch Claudia Burgsmüller, feministische Anwältin in Wiesbaden, glaubt nicht an Trends und Tendenzen: „Ich hatte mit Richterinnen fürchterliche Einzelerlebnisse“, sagt sie. „Ich könnte aber auch zahlreiche positive Gegenbeispiele von sowohl menschlichen wie souveränen Richterinnen aufzählen.“ Enttäuschend sei oft das Verhalten von – ohnehin konservativen – Richterinnen, die „es sich durch die Übernahme der männlichen Rolle leichtmachen“. Und: Gerade jüngere Frauen „scheren sich oft einen Dreck darum, was wir so erarbeitet haben“: Der neuen Generation von Juristinnen sei nicht bewußt, daß frauenbewegte Vorkämpferinnen dafür gesorgt hätten, daß Frauen in die Justiz einziehen konnten.

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