■ Israel: Weizmann trifft Arafat – lebt der Friedensprozeß?: Im Koma
„Der Friedensprozeß ist tot“, stellte vor ein paar Tagen ein Abteilungschef im israelischen Außenministerium fest. Andere glauben, daß er nur scheintot ist. Jedenfalls liegt er im tiefen Koma.
Ein paar Ärzte bemühen sich um ihn. Staatspräsident Eser Weizmann traf sich mit Arafat und beschrieb sich als „Eisbrecher“. Aber das Eis schloß sich wieder hinter ihm. Ein symbolisches Treffen. Danach blieb alles beim alten.
Dann kam der unglückselige Dennis Ross wieder, ein Ross ohne Reiter. Er läuft herum, ohne klaren Auftrag. Er hat keinen neuen Plan, er kann keinen Druck ausüben, ein Perpetuum mobile ohne Ziel.
Darüber sind sich alle einig: Alles hängt von Amerika ab. Aber was will Amerika? Scheinbar nur eins: daß der Anschein eines Friedensprozesses gewahrt bleibt. Eine Umdrehung von Moltkes berühmtem Ausspruch: Mehr scheinen als sein. Clinton, der Pate des israelisch-palästinensischen Abkommens, kann es sich nicht leisten, daß der Prozeß augenscheinlich zugrunde geht. Aber er kann oder will nichts investieren. Er ist in zu viele Skandale verwickelt, um sich auch noch mit der organisierten jüdischen Gemeinde bei sich zu Hause zanken zu können.
Darum hat er zweimal sein Veto benutzt, um zu verhindern, daß der Sicherheitsrat Israel wegen der Siedlung auf Har Homa verdammt – obwohl auch die USA diese Provokation kritisiert hatten. Als dann die UN-Generalversammlung den Siedlungsbau verurteilte, stimmten nur drei dagegen: Israel, die USA und das gewaltige Mikronesien.
Nun trauen die Palästinenser den USA nicht mehr, die Israelis hingegen sehr: 82 Prozent aller Israelis wünschen sich derzeit eine US-Einmischung in den Friedensprozeß. Nicht die UNO, nicht Europa, nicht die arabischen Staaten. Nur Amerika. Und um das zu unterstreichen, werden in Israel jetzt massenhaft US- Fahnen verkauft, um sie am Montag, Israels Unabhängigkeitstag, neben der israelischen Nationalfahne zu hissen. Das ist wohl einmalig in der Welt.
Wenn aber die USA keine Lust haben, sich einzumischen, was bleibt? In Israel hat man den Frieden so gut wie vergessen. Man ist mit inneren Skandalen beschäftigt. Die Arbeitspartei leidet unter einem Führungskampf und ist so gut wie lahmgelegt. Die großen Friedensbewegungen liegen auch im Koma. Man wartet fatalistisch auf irgend etwas – eine neue Terrorwelle oder ein Wunder. Man spricht gelassen über den nächsten Krieg, über Giftgasraketen und atomare Vergeltung. Alles beim alten. Uri Avnery
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