Ein Schlupfloch für die Bahn

Die Verluste des Transrapids soll die DB tragen. Internes Papier von Bahn-Chef Dürr: 1998 könnte der Konzern aus dem Vertrag aussteigen  ■ Aus Berlin Gudrun Giese

Berlin (taz) – Die Deutsche Bahn AG dürfte vor dem größten Desaster ihrer jungen Firmengeschichte stehen: Analysen der Wirtschaftlichkeitsstudie zur Transrapid-Verbindung Berlin–Hamburg belegen, daß dieses Projekt auf lange Sicht für Bund und Bahn nur eines bringt: jede Menge Miese.

Ein Schlupfloch bleibt dem einstigen Staatsunternehmen noch. Anfang 1998 soll eine endgültige Betriebs- und Investitionskostenrechnung erstellt werden. „Sollte die Überprüfung (...) ergeben, daß die Werte deutlich von dem der getroffenen Vereinbarung abweichen“, hatte der Noch-Vorstandschef der Bahn AG, Heinz Dürr, am 25. April an die Aufsichtsratsmitglieder geschrieben, „so ist über das Projekt neu zu entscheiden“. Der Aufsichtsrat soll das Projekt erst abnicken, wenn die endgültigen Investitionen und Betriebskosten errechnet sind. Das interne Schreiben liegt der taz vor.

Daß 1998 das Aus für das Magnetbahn-Projekt verkündet wird, ist wenig wahrscheinlich, meint der Verkehrsreferent des BUND, Peter Westenberger; bis dahin dürfte die neue Struktur weitgehend festgezurrt sein. Sie entlastet die beteiligten Industrieunternehmen Thyssen, Siemens und Adtranz (ein Gemeinschaftsunternehmen von Daimler Benz und ABB) von allen Risiken.

Am 25. April hatte Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) in Bonn eine überarbeitete Wirtschaftlichkeitsstudie sowie neue Verantwortlichkeiten für Transrapid-Bau und -Betrieb präsentiert. Niedrigere Fahrgastzahlen auf der Verbindung Berlin–Hamburg, dafür höhere Kosten und geringere Erlöse verkaufte der notorische Optimist Wissmann als Erfolg. Die Bahn AG ist nunmehr allein für Bau und Betrieb der Transrapid-Verbindung verantwortlich. Der Bau selber wird aus der Bundeskasse bezahlt. Gewinne oder Verluste aus dem Betrieb gehen auf das Konto der Deutschen Bahn. Für das Betriebssystem, das das Industriekonsortium mit läppischen 500 Millionen Mark absichert, muß die Bahn AG Jahr für Jahr ein Nutzungsentgelt zahlen.

Die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Gila Altmann hat nun in der neuen Wirtschaftlichkeitsstudie zum Transrapid etliche methodische Fehler ausgemacht. Zwar wurden die Fahrgastzahlen nach unten korrigiert, auf 11,4 bis 15,2 Millionen je nach Szenario, doch wurde dennoch heftig getrickst.

Bei der Umfrage ist der Intercity plötzlich langsam

Überhöhte Prognosen der Wirtschaftsentwicklung in der Bundesrepublik lägen den Zahlen zugrunde, so Gila Altmann; auch der induzierte Verkehr (Verkehr, der nur stattfindet, weil es einen Transrapid gibt) werde stark über-, das Alternativangebot auf der Schiene unterschätzt.

Mit welchen Methoden die von der Magnetschnellbahn-Planungsgesellschaft beauftragte Intraplan Consult bei der Ermittlung der künftigen Fahrgastzahlen vorgegangen ist, führt die Verkehrsreferentin von Robin Wood, Andrea Meyer, aus: Die befragten Interviewpartner hatte Intraplan vor die Alternative gestellt, mit der Bahn in 3,5 Stunden von Berlin nach Hamburg zu fahren oder mit dem Transrapid in einer Stunde dieselbe Strecke zurückzulegen. Tatsächlich braucht die Bahn heute schon unter drei Stunden und ab 1. Juni mit dem ICE gerade mal noch 2 Stunden und 15 Minuten für die Distanz.

Die Fahrwegkosten seien mit 6,1 Milliarden Mark viel zu niedrig kalkuliert, kritisiert die Abgeordnete Altmann. Vor allem die aufwendigen Einfahrten in Hamburg und Berlin seien heruntergerechnet worden. Die Münchener Gutachter Rösler-Vieregg, die kürzlich für Robin Wood und den BUND Studien zur Wirtschaftlichkeit des Transrapids erarbeitet hatten, veranschlagen die Kosten für den Fahrweg auf 10 Milliarden Mark.