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Mit dem Papamobil zur Hisbollah

Im Libanon beschwört Papst Johannes Paul II. die Unabhängigkeit des Landes. Doch die israelischen und syrischen Besatzer nennt er nicht  ■ Von Karim El-Gawhary

Zweiunddreißig Stunden Hoffnung verbreitete Papst Johannes Paul II. bei seinem Besuch in Beirut. Es war die erste Visite des 76jährigen katholischen Oberhirten im Nahen Osten. Im Libanon selbst hatte, abgesehen von Paul VI. bei einer kurzen Zwischenlandung auf dem Weg nach Bombay vor 33 Jahren, noch nie ein Papst einen Fuß auf den Boden gesetzt.

Entsprechend groß waren die Erwartungen der Hunderttausenden, die bei seiner Ankunft am Samstag die Straßen säumten und am Sonntag einer Messe an der grünen Linie im ehemals vom Bürgerkrieg zerrissenen Beirut bewohnten. Alle wollten den Papst für sich. Die christlichen Maroniten, früher einflußreichste Religionsgemeinschaft des Landes und heute von der muslimischen Mehrheit an den Rand gedrängt, erhofften sich ein kurze Renaissance alter Zeiten und eine klare Verurteilung der syrischen Präsenz im Land. Rund 35.000 syrische Truppen sind seit dem Bürgerkrieg im Land stationiert. Viele Maroniten machen sie für ihren schwindenden Einfluß verantwortlich.

Die vor allem im Süden lebenden Schiiten erhofften klare Worte zur israelischen Besatzung im Südlibanon. Manche hatten gar gehofft, der Papst würde Qana besuchen – jene UN-Basis, bei der vor gut einem Jahr 109 libanesische Zivilisten bei einem israelischen Bombenangriff ums Leben kamen.

Doch der Papst hatte beschlossen, niemanden zu vergraulen und allzu deutliche Worte zu vermeiden. „Der Libanon hat den tiefen Wunsch, unabhängig und frei zu sein“, erklärte er, ohne die Namen der Besatzungsmächte Israel und Syrien zu nennen. An alle Libanesen appellierte der Papst, „die Mauern einzureißen“ und nach 17 Jahren Bürgerkrieg, der über 150.000 Menschen das Leben gekostet hat, gemeinsam ein neues Kapitel für die Zukunft aufzuschlagen.

Zumindest während des Papstbesuches, der von allen Konfessionen des Landes begrüßt worden war, übte sich das Land in Eintracht. Nicht nur von den Christen wurde das katholische Oberhaupt gefeiert. Bei einer Fahrt durch die von Schiiten bewohnten südlichen Vororte Beiruts, die als Hisbollah- Hochburgen gelten, wurde der Papst von Frauen empfangen, die zur Begrüßung Reis auf sein Papst- Mobil warfen.

Seit Ende des Bürgerkrieges freuen sich die meisten Libanesen über jedes Indiz dafür, daß das Land von der Außenwelt wieder als ein ganz normaler Staat angesehen wird. Staatsbesuche, Popkonzerte oder eben eine Visite des Papstes werden zum Großereignis.

Der libanesische Staatspräsident Elias Hrawi empfing den Papst mit den nicht gerade bescheidenen Worten: „Heute werden sie die Wiedergeburt einer Nation aus der Asche erleben.“ Dem Papst gefiel sichtlich das Aufsehen, daß um seine Person gemacht wurde – und den meisten Libanesen wohl auch. Beobachter in Beirut fürchten jedoch, daß mit seinem Abflug wieder der libanesische Alltag eintreten wird – mit sporadischen Bombardements israelischer Kampfflugzeuge im Süden und syrischen Truppenpatrouillen im Rest des Landes. Dann wird es Zeit für den nächsten Staatsgast oder Popstar, der beweisen kann, daß endlich die Normalität ausgebrochen ist.

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